Die unendliche Geschichte - der Fall Zeiger

Von Ralf Grüning

BENSERSIEL 25.02.2000 Jahrelang kämpften Gertrud und Hermann Zeiger um den Abbau der dicht an ihrem Haus stehenden 35 Meter hohen Windkraftanlage. Im Juni 1997, genau am 19. des Monats, schien das genervte und zermürbte Ehepaar endlich und endgültig seinen Kampf gegen Windmühlen gewonnen zu haben: Das Verwaltungsgericht Oldenburg erklärte die Baugenehmigung für die 450-Kilowatt-Anlage für rechtswidrig. Die visuellen und akustischen Effekte, wie Schattenschlag bei Sonnenschein und Geräusche durch Luftkompressionen, seien unzumutbar, begründeten die Verwaltungsrichter ihre Entscheidung. Zugleich ordneten sie die sofortige Stilllegung der Anlage an. Mit viel Tamtam der Betreiber, mit Budenzauber, Curry-Wurst und Fernsehen, wurde ein Jahr danach, am 12. Juni 1998, die stillgelegte Anlage demontiert und drei Tage später auf einer "Ausgleichsfläche", 600 Meter vom Hause der Zeigers entfernt, wieder in Betrieb genommen. Kurzkommentar von Gertrud Zeiger: "Die Belästigungen kommen jetzt aus einer anderen Richtung."
Dreihunderttausend Mark kostete das ostfriesische Verschiebespiel. Fragen über Fragen tauchten damals auf: Wer trägt die Umsetzungskosten, die Stadt-/Kreisverwaltung Wittmund, die seinerzeit die Anlage in 170 Meter Entfernung vom Wohnhaus der Zeigers genehmigt hat? Oder geht der Betrag zu Lasten der Betreiber? Oder wird er gar auf Umwegen dem Steuerzahler ans Bein gebunden?
Kiebitze, Feldlerchen und andere Vögel sind seitdem Opfer der versetzten Mühle geworden. Ungeachtet dessen verbeugen sich die Naturschutzverbände BUND und NABU weiterhin vor der "schöpfungsbewahrenden" Windkraft. Das leidgeprüfte Ehepaar ist nicht mehr überrascht. Als "angebliche" Umweltschützer verleumdet, kündigten Gertrud und Hermann Zeiger ihre Mitgliedschaft im NABU.
Im Sommer 1998 hatten einige Wittmunder dieses neue Spiel entdeckt: "Wetten, dass die neue Zeigermühle auch wieder wandern geht!" Die Chancen, dieses Spiel zu gewinnen, standen für die Wettenden nicht schlecht. Denn die Nachbarn der versetzten Mühle legten umgehend Widerspruch gegen die Baugenehmigung am neuen Standort ein, und zwar bei einem Gericht, das mit Beschluss vom 17. April 1998 unter dem Aktenzeichen 4B1266/98 geringere Entfernungen als 600 Meter zwischen Windrad und Wohnhaus als unzumutbar bezeichnet hatte.

Das Heimatblatt der Zeigers, der "Anzeiger für Harlingerland", meldet am 19. Februar 2000, dass das klagende Ehepaar vor der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich einem Vergleich mit den beklagten Betreibern zugestimmt habe, in welchem sich die vier "Windmüller" zur Zahlung von 10.000 Mark Schmerzensgeld verpflichtet hätten. Einen von Richter Peetz angestrebten Vergleich über 20.000 DM Schmerzensgeld hatten die Betreiber mit dem Hinweis auf eine noch laufende Klage der Zeigers gegen den neuen Standort der Windkraftanlage strikt abgelehnt. Sie bieten nur die Hälfte des Betrages, ließen sie verlauten. Hermann Zeiger und sein Anwalt aus Wiesmoor nahmen den Vergleich an. Denn Hermann Zeiger geht es, wie er sagt, weniger ums Geld als um die Gerechtigkeit. Auch seine Frau, die im Kreiskrankenhaus Aurich von dem Vergleich erfuhr, sieht das so. Doch Gertrud Zeiger findet es schlimm, dass kein Vertreter der Stadt- und Kreisverwaltung Wittmund eine Entschuldigung oder ein Wort des Bedauerns vorgebracht hat.
Wann das endgültige Ende dieser unendlichen Geschichte kommt, wagt niemand zu sagen. Die Richter am Verwaltungsgericht Oldenburg werden entscheiden. Nur wann, das ist die Frage.