IP/02/127

Brüssel, den 23 Januar 2002

Der Verursacher wird zur Kasse gebeten: Kommission verabschiedet Regelung für die Umwelthaftung zur Vermeidung und Behebung von Umweltschäden

Die Europäische Kommission hat heute einen Vorschlag für eine Richtlinie über Umwelthaftung zur Vermeidung von Umweltschäden und zur Sanierung der Umwelt angenommen. Von dieser Richtlinie würden Wasserverschmutzung, Schäden in Bezug auf die biologische Vielfalt, und Bodenverschmutzung, die eine schwerwiegende Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellt, erfasst werden. Betreiber, die bestimmte gefährliche oder potenziell gefährliche Tätigkeiten durchführen und damit Umweltschäden verursachen, würden für die Behebung des entstandenen Schadens haften oder für die entsprechenden Sanierungsmaßnahmen zahlen. Alle Betreiber, die durch Fehler oder aus Nachlässigkeit Schaden in Bezug auf die biologische Vielfalt verursachen, wären ebenfalls verpflichtet, den Schaden zu beheben. Die Umweltkommissarin Margot Wallström äußerte sich wie folgt: "Das Konzept, dass der Verursacher zahlen muss, ist ein Eckpfeiler der EU-Politik. Die Kommission sendet mit ihrem heutigen Vorschlag eine klare Botschaft aus: die Zeit ist gekommen, dass die EU das Verursacherprinzip in die Praxis umsetzt. "Die Mitgliedstaaten müssen in der Lage sein, Umweltschäden in Angriff zu nehmen und sich in Bezug auf Fragen, wer verantwortlich ist, welcher Schaden erfasst ist und wer die Kosten zu tragen hat, auf gemeinsame Regeln stützen können. Die heute von der Kommission vorgeschlagene Regelung wird ein starker Anreiz sein, zu vermeiden, dass solche Schäden überhaupt entstehen." Die Kommissarin erklärte ferner: "Wir sind alle betroffen, wenn es um den Umweltschutz und die Schadensvermeidung geht. Die Bürger, die Industrie und die NRO haben daher schon lange auf diesen wichtigen Vorschlag gewartet und verbinden mit ihm große wenn auch unterschiedliche - Erwartungen. Heute hat die Kommission den ersten konkreten Schritt in Richtung auf die Einführung einer umfassenden Umwelthaftungsregelung auf europäischer Ebene getan."

Hintergrund

Die Entscheidung der Kommission, diesen Vorschlag anzunehmen, spiegelt ihre Verpflichtung wider, derzeitige unhaltbare Trends zu bekämpfen: den fortschreitenden Verlust der biologischen Vielfalt in ganz Europa und die zunehmende Verschmutzung von Wasser und Boden.

Der Vorschlag schafft einen auf der Umwelthaftung basierenden Rahmen, um sicherzustellen, dass Umweltschäden in Zukunft behoben oder vermieden werden. Der Vorschlag hat keine rückgreifende Wirkung.

Umweltschäden umfassen Schäden in Bezug auf die biologische Vielfalt, die durch gemeinschaftliche und einzelstaatliche Rechtsvorschriften geschützt ist, sowie Gewässer, die durch die Rahmenrichtlinie (2000/60/EG(1)) geregelt sind, und ferner Bodenverschmutzung, die eine schwerwiegende Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellt.

Die öffentlichen Behörden werden bei der vorgeschlagenen Haftungsregelung eine wichtige Rolle spielen. Ihre Aufgabe wird es sein, zu gewährleisten, dass für Umweltschäden verantwortliche Betreiber die notwendigen Sanierungsmaßnahmen selbst durchführen oder diese finanzieren.

Öffentliche Interessengruppen, wie Nichtregierungsorganisationen, können nach dieser Regelung die öffentlichen Behörden auffordern, wenn nötig, tätig zu werden und deren Entscheidungen gerichtlich anfechten, sofern diese Entscheidungen rechtswidrig sind.

Schadensvermeidung

In Bezug auf die Schadensvermeidung sieht der Vorschlag im Falle von Betreibern, die eine Situation verursacht haben, die zu einem Umweltschaden führen könnte, vor, dass vorbeugende Maßnahmen zu treffen sind, um zu vermeiden, dass diese Situation zu einem Schaden führt. Wenn zum Beispiel bei einem industriellen Verfahren eine Störung auftritt, wodurch sich eine Explosion ereignen könnte, weil in einigen Rohren ein Überdruck entstanden ist, sind Maßnahmen zu ergreifen, um den Druck zu regulieren und eine mögliche Explosion zu vermeiden.

Sanierung

Wenn dennoch ein Umweltschaden entsteht, müssen die Mitgliedstaaten nach dem Vorschlag sicherstellen, dass der Umweltschaden behoben wird. Dies beinhaltet, dass der Schweregrad und der Umfang des Schadens zu beurteilen und die geeignetsten Sanierungsmaßnahmen festzulegen sind, möglichst gemeinsam mit dem nach dem Vorschlag für den Schaden haftbaren Betreiber dem Betreiber, der durch seine Tätigkeit den Schaden verursacht hat.

Die zuständige Behörde kann von dem Betreiber fordern, dass er die notwendigen Vorbeuge- oder Sanierungsmaßnahmen ergreift, die dann direkt von dem Betreiber finanziert werden. Wahlweise kann die zuständige Behörde die betreffenden Maßnahmen selbst durchführen oder von einer dritten Partei durchführen lassen. Eine Kombination beider Konzepte ist auch möglich.

Wenn die Sanierung von der zuständigen Behörde oder für diese von einer dritten Partei durchgeführt wird, und ein oder mehrere Betreiber nach dem Vorschlag für den Schaden haftbar sind, muss die zuständige Behörde gemäß dem Verursacherprinzip die Ausgaben der Sanierung von den haftenden Betreibern eintreiben. Dieselbe Regelung gilt für vorbeugende Maßnahmen.

Geltungsbereich der Richtlinie

Die Betreiber, die nach der Richtlinie für die Vermeidung und Behebung der Umweltschäden in finanzieller Hinsicht potenziell haftbar sind, sind Betreiber, die die in Anhang I aufgelisteten gefährlichen oder potenziell gefährlichen Tätigkeiten durchführen. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten, bei denen Schwermetalle in Gewässer oder in die Luft freigesetzt werden, Anlagen, die gefährliche Chemikalien produzieren, Deponien und Verbrennungsanlagen.

Betreiber, die Tätigkeiten durchführen, die nicht von Anhang I erfasst sind, können nach der Richtlinie ebenfalls im Hinblick auf Maßnahmen zur Vermeidung oder Behebung von Schäden in Bezug auf die biologische Vielfalt finanziell haftbar sein, jedoch nur wenn ihnen Nachlässigkeit nachzuweisen ist. Dieser erweiterte Schutz geht darauf zurück, dass Schäden in Bezug auf die biologische Vielfalt an sich durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften kaum abgedeckt sind, und wenn, dann ist keineswegs gewährleistet, dass die geschädigte biologische Vielfalt auch tatsächlich saniert wird.

Schließlich umfasst der Vorschlag Bestimmungen über grenzüberschreitende Schäden, die Deckungsvorsorge, die Beziehung zu einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und die Überprüfung der Regelung.

Aufforderung zu Maßnahmen

Qualifizierte Rechtspersonen (öffentliche Interessengruppen, wie NRO) sowie Personen mit einem eindeutigen Interesse, d.h. die einen Schaden erlitten haben, können die zuständigen Behörden auffordern, geeignete Maßnahmen zu ergreifen und Maßnahmen bzw. das Unterlassen von Maßnahmen seitens der zuständigen Behörden anfechten. Dies bietet der Öffentlichkeit die Möglichkeit, die den zuständigen Behörden übertragene Aufgabe als Treuhänder der Umwelt zu überwachen und zu beeinflussen.

Ausnahmen

In dem Vorschlag sind verschiedene Ausnahmen und Rechtfertigungen enthalten, die durch die Notwendigkeit begründet sind, Rechtssicherheit und Innovationsschutz zu gewährleisten. Beispielsweise begründen genehmigte Emissionen keine Haftbarkeit. Tätigkeiten und Emissionen, die nach dem Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse zum Zeitpunkt ihrer Durchführung oder ihres Auftretens als sicher für die Umwelt gelten, werden von dem Vorschlag auch nicht erfasst. In gewissen Fällen jedoch werden sich nachlässige Betreiber nicht auf die Ausnahmeregelungen stützen können

Die Zahlungsunfähigkeit von Betreibern ist einer der Faktoren, die die Eintreibung der Ausgaben gemäß dem Verursacherprinzip durch die zuständigen Behörden behindern können, doch können die diesbezüglichen Auswirkungen durch angemessene finanzielle Versicherung eines potenziellen Schadens begrenzt werden. Nach dem Vorschlag steht es den Mitgliedstaaten frei, angemessene Vorkehrungen bezüglich der Deckungsvorsorge zu treffen.

Nächste Schritte

Dieser Vorschlag wird dem Umweltrat auf seiner Tagung im März 4. 2002 vorgelegt. Damit beginnt das Gesetzgebungsverfahren, das mit dem gemeinsamen Erlass der neuen Richtlinie durch das Europäische Parlament und den Ministerrat endet. Dieses sogenannte Mitentscheidungsverfahren dauert in der Regel zwei bis drei Jahre. Nach dem endgültigen Erlass der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in innerstaatliches Recht umsetzen müssen."

(1) Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327vom 22.12.2000 S. 1).