Sehr geehrter Herr Benkert,

vielen Dank für Ihr Antwortschreiben, in dem Sie aufgrund "schwebender Rechtsverfahren", mittels derer Windfirmen weitere Standorte durchsetzen wollen, mein Schreiben nicht beantworten können. - Soweit sind wir gekommen! Schutzlos scheinen Städte und Gemeinden der unersättlichen Gewinnsucht des Molochs Windindustrie ausgeliefert zu sein. Aufrichtig wünsche ich der Stadt, daß sie in unserer aller Interesse obsiegen wird.

Vielen Dank auch für die Kopie Ihres Schreibens vom 08.01.01. Dieses Schreiben konnte meiner Aufmerksamkeit nur entgehen, weil es bei mir nicht ankam. Vielleicht ging es bei der Post verloren.

Sie führen aus, daß die Stadt Alzey zur Vermeidung von "Wildwuchs" zwei Windindustriegebiete ausgewiesen habe. Wenn es denn eine "Mindestforderung" geben kann, so wurde diese mit dem Dautenheimer Windindustriegebiet hinreichend erfüllt. Alle weiteren Ausweisungen sind behördlich verordneter "Wildwuchs".

Denn die Ausweisung der Fläche in Heimersheim widerspricht dem Planvorbehalt des § 35 Abs. 3 Satz 4 BauGB, wonach öffentliche Belange einer Windenergieanlage in der Regel auch dann entgegenstehen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. (s. auch Hinweise zur Beurteilung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen). Die Stadt hat - wie gesagt - mit der Ausweisung des Dautenheimer Windindustriegebietes ihr "Soll" erfüllt. Es bestand oder besteht keine rechtsverbindliche Notwendigkeit, weitere völlig unbelastete Gebiete zu opfern und zu verunstalten, insbesondere da weder der LEP noch der Raumordnungsplan diesbzgl. Nutzungen vorsehen, geschweige denn vorschreiben!

Hinzu kommt, daß der Standort Heimersheim aufgrund seiner Nähe zum Landschaftsschutzgebiet Rheinhessische Schweiz und aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zu unter Landschaftsschutz stehenden Bereichen der Erbes-Büdesheimer Gemarkung sowie aufgrund seiner Nähe zu dem EU-Vogelschutzgebiet Nr. 6309-401 von allem Anfang an für Windrotoren überhaupt nicht in eine Auswahl einzubeziehen war. Dazu kommt, daß dieser Heimersheimer Standort selbst die Qualitäten eines nach der FFH- bzw.Vogelschutz-Richtlinie zu schützenden Offenlandbiotopes nicht zuletzt wegen seiner internationalen Bedeutung für den Vogelzug aufweist. 

Möglicherweise ist der Stadt Alzey noch immer nicht bewußt, daß sie mit Verfolgung der zur Zeit laufenden Planungen EU-Recht verletzt. Im Bereich eines im Meldeverfahren befindlichen Vogelschutzgebietes sind die Gemarkungen von Weinheim – Erbes-Büdesheim – Heimersheim. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.05.1998 folgt der Rechtssprechung des EuGH, indem die Existenz "faktischer" Vogelschutzgebiete, welche die Qualität des Art. 4 Abs. 4 Vogelschutzrichtlinie (VRL) besitzen, anerkannt werden.

Mitgliedstaaten haben auch weiterhin die Pflicht bei sachgerechter Anwendung der in Anhang III Phase I der Habitat Richtlinie aufgeführten Kriterien alle geeigneten Gebiete zu benennen, dies ist jüngst durch ein Urteil des EUGH untermauert worden (C-371/98 vom 7.12.2000),

d. h.: ohne Berücksichtigung wirtschaftlicher, politischer oder planerischer Interessen;

d. h. auch, daß alle derzeit in Planung oder Realisierung befindlichen Windindustrie-Vorhaben rechtswidrig sind, da der Richtlinie wie auch der Rechtsprechung zufolge keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden dürfen, die geeignet sind, die Erfüllung der vertraglichen Pflichten unmöglich zu machen (BVerwG 4 C 2.99, OVG 7 K 912/98).

Dem EuGH Urteil (C-374/98 vom 7.12.2000) zufolge entfaltet die Vogelschutzrichtlinie eine strengere Wirkung als die Habitatrichtline. Dies betrifft insbesondere noch nicht gemeldete bzw. im Meldeverfahren befindliche Gebiete, die praktisch einer Veränderungssperre bis zu einer endgültigen Entscheidung durch die Europäische Kommission unterliegen. Ich wiederhole: Jegliche Planung, Verträglichkeitsprüfung, Bebauung usw. ist unzulässig!

Gemäß dieser Urteile deutscher Gerichte und des EuGH ist das gesetzwidrige Heimersheimer Vorhaben (wie auch andere) unverzüglich zu stoppen. Dem geltendem Recht haben sich auch die dreisten Windfirmen zu beugen! - Die Stadt Alzey hat mit den zitierten Urteilen geeignete Instrumente, den drohenden Schaden an Landschaft und Natur abzuwenden. Dazu ist die Stadt verpflichtet, nicht zuletzt auch gegenüber dem Gemeinwohl.

Neben der Bitte um Aktenvermerk bzw. dieses Schreiben den Akten der laufenden Verfahren beizufügen, wäre ich für eine baldige, schriftliche Stellungnahme dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

BürgerInitiative Rheinhessen-Pfalz
zwischen Rhein und Donnersberg

c/o Trude Fuchs

30.06.2001

Zur Kenntnisnahme an: Die Europäische Kommission (Beschwerde Az: 2001/4164, SG(2001) A/1363), Herrn Landrat Schrader, Umweltministerium RLP, Innenministerium RLP, Finanzministerium RLP, SGD Süd, Landesumweltamt.