Staatsanwaltschaft Koblenz
Information für die Presse Nr. 02/2004
Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche einer Unternehmensgruppe, die sich mit der Errichtung und dem Betrieb von Windparkanlagen befasst

Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt

Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat aufgrund einer Vielzahl von Strafanzeigen ein Ermittlungsverfahren gegen vier Verantwortliche einer Unternehmensgruppe eingeleitet, die sich mit der Errichtung und dem Betrieb von Windparkanlagen befasst. Nach derzeitigem Erkenntnisstand betreibt die Unternehmensgruppe 26 Windparks, an denen ca. 560 private Anleger beteiligt sind.

Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ist der Vorwurf der Insolvenzverschleppung, der Untreue, des Betruges und der Steuerhinterziehung.

Im einzelnen wird den Tatverdächtigen, die in unterschiedlicher Funktion -teilweise bei sämtlichen, teilweise nur bei einzelnen- der insgesamt etwa 40 betroffenen Gesellschaften tätig sind oder waren, vorgeworfen

- es trotz seit Jahren bestehender Überschuldung einzelner Firmen unterlassen zu haben, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der jeweiligen Gesellschaften rechtzeitig zu beantragen,

- werthaltige Windenergieprojekte ohne gleichwertige Gegenleistung von einer Gesellschaft auf die andere übertragen zu haben um bei den dadurch begünstigten Gesellschaften bestehende Verluste ausgleichen zu können. Dadurch sollen die Gesellschafter der jeweils benachteiligten Gesellschaften geschädigt worden sein. Insoweit besteht der Verdacht, dass Vermögenswerte zwischen den einzelnen Firmen systematisch verschoben worden sind.

- Mitarbeiter und Auftraggeber veranlasst zu haben, Rechnungen an bestimmte Gesellschaften der Unternehmensgruppe zu richten, obwohl nicht diese, sondern andere Gesellschaften vertraglich zur Zahlung verpflichtet gewesen seien.

- Bewusst vertragswidrig Windkraftanlagen mit kleineren Rotorblättern als vertraglich geschuldet installiert zu haben und Windgutachten, aus denen sich teilweise eine unrentable Jahreswindproduktion errechnet habe, gegenüber den Anlegern nicht offengelegt zu haben.

Zwei der Tatverdächtigen wird darüber hinaus vorgeworfen, Eigenkapital der einzelnen Gesellschaften in hochspekulative Aktien- und Geldmarktfonds investiert zu haben, ohne dass der dafür erforderliche Gesellschafterbeschluss vorlag, was zu erheblichen Verlusten geführt haben soll und darüber hinaus gegenüber einzelnen Gesellschaften Honorare für Leistungen in Rechnung gestellt und vereinnahmt zu haben, die tatsächlich nicht erbracht worden waren.

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hat die Staatsanwaltschaft Koblenz heute aufgrund richterlicher Anordnung in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz acht Objekte im Großraum Koblenz durchsucht. An der Durchsuchungsmaßnahme waren insgesamt fünf Staatsanwälte, zwei Wirtschaftsreferenten, eine Wirtschaftsfachkraft und 24 Polizeibeamte beteiligt.

Es wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, das der Auswertung bedarf.

gez. Jung, Leitender Oberstaatsanwalt

Staatsanwaltschaft Koblenz
Pressestelle
56068 Koblenz
Karmeliterstraße 14
Tel.: 0261/102-2000
Fax: 0261/102-2002


http://www.main-rheiner.de/archiv/objekt.php3?artikel_id=1348929
Allgemeine Zeitung, 23.01.2004
Windige Geschäfte mit der Energie?
Auch Ex-Abgeordneter im Visier der Fahnder
MAINZ Dietmar Rieth, ehemaliger Landtagsabgeordneter der Grünen und derzeit Mitglied im Landesparteirat, "ist durch seine zeitweilige Tätigkeit als Geschäftsführer der früheren Windkraft-Firmengruppe Provento ins Visier der Koblenzer Staatsanwaltschaft geraten. Für die Fahnder bestehe "ein Anfangsverdacht wegen Insolvenzverschleppung", bestätigte Rieth-Anwalt Markus Schmuck dieser Zeitung. Ein Anfangsverdacht deshalb, weil die GmbH bereits überschuldet gewesen sein könnte, als Rieth noch Geschäftsführer war. Er habe vom 6. Februar 2001 bis 15. Juli 2003 dem Vorstand der Gesellschaft angehört, bestätigte Rieth.
Sein Mandant habe allerdings nichts von einem Status der Überschuldung gewusst, betonte Schmuck. Rieth sei auch in eine "Unrechtsvereinbarung" - sollte es zwischen anderen Personen eine solche gegeben haben - weder eingebunden gewesen noch habe er Kenntnis davon gehabt.
Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit den Anfangsverdacht gegen insgesamt vier Personen, bestätigte der Leitende Oberstaatsanwalt Erich Jung. Es bestünden ausreichende Verdachtsmomente, dass "bei einzelnen Gesellschaften, die jetzt insolvent sind oder schon früher insolvent waren, diese Insolvenz nicht rechtzeitig angezeigt wurde", erklärte Jung.
Dass gegen seinen Mandaten ermittelt werde, weil alle Insolvenzverfahren überprüft würden, sei verständlich, sagte Schmuck. "Dass den Vorgängen auf den Grund gegangen wird, wird auch von Herrn Rieth ausdrücklich befürwortet", betont der Anwalt. Eine strafrechtliche Verurteilung halte er allerdings für "sehr unwahrscheinlich".
Neben dem Verdacht der Insolvenzverschleppung ermittelt die Staatsanwaltschaft auch wegen Untreue, Betruges und Steuerhinterziehung. So sollen zum Nachteil von Anlegern unter anderem "Vermögenswerte zwischen einzelnen Gesellschaften der Firmengruppe hin- und hergeschoben" und "bewusst vertragswidrig kleinere Rotorblätter als vereinbart installiert" worden sein. Zwei Verdächtige hätten außerdem mit Gesellschaftskapital spekuliert und verloren.


http://www.br-online.de/geld/plusminus/beitrag/20021008/thema_6.html

Windkraft hat Hochkonjunktur.
Mittlerweile drehen sich in Deutschland zwischen Nordsee und Alpen knapp 12.500 Räder im Wind. Damit ist Deutschland weltweit führend in der Nutzung von Windkraft. Möglich war dieser Aufschwung durch die staatlich festgelegte Einspeisevergütung: Derzeit können die Betreiber mit rund 9 Cent pro Kilowattstunde rechnen. Mit dieser Sicherheit im Rücken werben die Entwickler von Windparks um das Kapital von Anlegern. Zudem können sie mit der Möglichkeit steuerlicher Verlustzuweisung locken.
Mit diesen Argumenten hat ein Anlageberater einen Bauern aus Landshut dazu bewegt, sein Kapital in einen Windpark zu investieren. Im Oktober vergangenen Jahres hat der Landwirt tatsächlich einen Vorvertrag unterzeichnet. Der geplante Park liegt fünf Autostunden von Landshut entfernt in der Nähe von Polch in der Eifel. Fünf Anlagen sollten aufgestellt werden. Kostenpunkt: Rund 4 Millionen Euro. Die Koblenzer Firma Provento AG hat den Park geplant und sie hätte ihn auch schlüsselfertig gebaut.
Ob sich solche Investitionsvorhaben rentieren, steht und fällt mit der Windstärke am Standort. Deshalb wird für jeden Park ein Windgutachten erstellt. Im Fall Polch hat die Planungsfirma, die Provento AG, drei Gutachten anfertigen lassen.
Einer der Gutachter: Die Terragraphica GmbH in Kaisersesch. Auffallend: Gleich nebenan befindet sich ein Büro des Auftraggebers Provento. Gründerin und Geschäftsführerin der Terrragraphica GmbH ist Astrid Schmitz. In welcher persönlichen oder verwandschaftlichen Beziehung steht sie zu Mitarbeitern oder Gesellschaftern der Provento AG? Astrid Schmitz: "Zu Mitarbeitern der Provento gibt es keinerlei Verbindungen. Der Geschäftsführer oder der Herr Rudolf Schmitz, mein Onkel, was aber sonstige Verbindungen ausschließt. Lediglich das Verwandschaftsverhältnis zwischen Herrn Rudolf Schmitz und mir."
Welche Funktion hat Rudolf Schmitz bei Provento? Dietmar Rieth, Vorstand der Provento AG: "Herr Schmitz, Rudi Schmitz, ist Mitbegründer der Provento. Ein Gesellschafter. Herr Schmitz ist nicht im operativen Geschäft der Provento eingebunden. Lediglich als Mitbegründer der Provento Aufsichtsrat der Provento."
Auch zum zweiten Gutachter des geplanten Windparks von Max Müller unterhält die Provento AG eine personelle Verbindung. Dabei handelt es sich um die Firma NET neueenergietechnik GmbH. Die Firma wurde 1994 von Ciro Capricano gegründet. Drei Jahre später wechselte er als Vorstand zur Provento AG. Derzeit sitzt er im Aufsichtsrat von Provento und ist gleichzeitig stiller Gesellschafter der Gutacherfirma NET. Uwe Seher, Geschäftsführer NET neueenergietechnik GmbH: "Wir machen das transparent, wir sagen, NET hat hier ein Windgutachten erstellt. Wenn sie wiederum im Augenmerk auf ihre Recherchen das genau getan haben, wissen sie, dass Herr Capricano und auch ich in der Windbranche einen ziemlichen Bekanntheitsgrad genießen und von daher kennt eigentlich auch jeder, selbst die Banken, diese Beziehungen zwischen Herrn Capricano und mir, zwischen Herrn Capricano und der NET in der Vergangenheit, und auch die Beziehungen zwischen Herrn Capricano und der Provento. Das sind keine Geheimnisse, und da hätte ich auch überhaupt keine Probleme, einem Auftraggeber oder einer Bank, dies ganz klar darzulegen."
Tatsächlich sind in der Windbranche nur ein paar Dutzend Firmen aktiv. Viele Planer sind gleichzeitig als Gutachter tätig. Um so erstaunlicher ist es, daß es für die Branche bislang keinerlei Auflagen gibt. Immerhin: Beim Bundesverband Windenergie hat man jetzt die Brisanz des Problems erkannt. Peter Ahmels, Präsident Bundesverband Windenergie e.V.:
"Wir haben das Problem mit den Windgutachten durchaus seit längerem im Auge. Und die Windgutachter, die beim Bundesverband organisiert sind, arbeiten gerade an einem Pflichtenheft, die ein Gutachten erfüllen sollte, wenn es als seriös und unabhängig eingeschätzt werden soll."
Doch was passiert, wenn ein Windgutachten nicht stimmt? Ein Beispiel: Der Windpark Bockelwitz in der Nähe von Leipzig. Hier hat der Gutachter eine mittlere Windgeschwindigkeit von 6,8 Meter pro Sekunde prognostiziert. Daraufhin haben 266 Anleger zehn Windräder über einen geschlossenen Fonds finanziert. Vor drei Jahren ging der Park in Betrieb. Ende 2001 teilte der Fondsverwalter, das Grüne Emissionshaus, den Anlegern allerdings mit: "Nach derzeitigem Kenntnisstand müssen wir davon ausgehen, dass die lokalen Windverhältnisse im damals verwendeten Gutachten besser eingeschätzt wurden, als sie tatsächlich sind."
Für die Anleger heißt das laut Fondsreport des Grünen Emissionshauses vom 31.12.2001: Die Stromproduktion wird "auf Dauer um voraussichtlich 10-15 Prozent hinter den Erwartungen zurückbleiben" - und damit auch die Rendite.
Die schlechten Stromerträge im sächsischen Windpark Bockelwitz sind kein Einzelfall. Ähnliche Probleme gibt es bei drei weiteren Projekten des Grünen Emissionshauses. Ein anderer Anbieter, das Bremer Energiekontor, übt sich sogar schon in Schadensbegrenzung. Die Firma hat die beiden niedersächsischen Parks Sievern und Debstedt von den Anlegern zurückgekauft. Der Grund: Die Windräder erwirtschafteten erheblich weniger Rendite als versprochen.
Die Vielzahl enttäuschter Anleger verwundert den Fondanalysten Stefan Loipfinger nicht. Er sieht auf die Branche ein erhebliches Renditeproblem zukommen: "Die Betriebskosten werden üblicherweise sehr knapp kalkuliert. Weil eben hier die Rendite des Anlegers am besten getürkt werden kann. Gerade dieses Thema Instandhaltungskosten wird üblicherweise deutlich zu gering angesetzt, so daß ich also da mit deutlich höheren Kosten über 20 Jahre Laufzeit rechne und damit die Prognoserechnung übern Haufen geworfen wird."
Trotzdem boomt die Branche. Vor allem der Run auf Windsfonds ist ungebremst. Die Anbieter locken mit hohen steuerlichen Verlustzuweisungen. Und: Sie können mit üppiger Förderung rechnen. Bei einer Einspeisevergütung von rund 9 Cent pro Kilowattstunde werden selbst für schlechtere Standorte Renditen zwischen 8 und 10 Prozent errechnet. Doch das Risiko ist für die Anleger hoch. Stefan Loipfinger, Fondsanalyst: "Für einen Anleger, der aber kein absoluter Spitzensteuerzahler ist, kann man pauschal sagen, ist eine Windkraftanlage, wenn er nicht einfach was ökologisches tun will, also ganz andere Aspekte für die Anlageentscheidung hat, für einen reinen Kapitalanleger ist sie uninteressant."
Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 10.09.02 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.