Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. April 2001, S. 14

Das Böse und die edlen Wilden

Im Kampf gegen die angeblich drohende Klimakatastrophe arbeiten viele Wissenschaftler und Umweltschützer mit Vermutungen und Übertreibungen / Von Dirk Maxeiner

George W. Bush macht keine besonders kluge Politik, wenn er niedrige Energiepreise für verbriefte Menschenrechte amerikanischer Bürger hält. Amerika braucht für die Erwirtschaftung von 1000 Dollar Bruttosozialprodukt bis zu doppelt soviel Energie wie beispielsweise Japan oder auch Deutschland. Dennoch kann der deutsche Lebensstandard mit dem "American way of life" durchaus Schritt halten. Besonders in Zeiten steigender Ernergiepreise sind effiziente Volkswirtschaften im Vorteil. Dies ist die Lehre aus 1973, als die arabischen Ölstaaten anläßlich des Jom-Kippur-Krieges einen Boykott vieler westlicher Länder beschlossen und die Deutschen autofrei Sonntag feierten. Das Klimaprotokoll von Kyoto mag tot sein, doch der Ölpreis wird den Klimaschutz unbürokratisch regeln. Er fungiert auf dem Energiemarkt als Leitwährung und tendiert langfristig nach oben.

Es waren auch bislang nicht ökologische, sondern ökonomische Gründe, die die Effizienzrevolution der letzten 30 Jahre bewirkt haben. Und es war die Opec, die diesen Schub auslöste, nicht der Club of Rome. Dessen Bericht "Die Grenzen des Wachstums" machte mit dem Rückenwind des damaligen Energietraumas Karriere und prognostizierte das Ende der Erdölvorräte bereits für das Jahr 2000. Doch die Computermodelle seiner Verfasser rechneten am wahren Leben vorbei. Erfindungsreichtum ersetzte Energie, und vom Ende der Erdölvorräte kann keine Rede sein. Doch das Ausbleiben der Katastrophe von gestern wurde umgehend zur Schreckensnachricht von morgen befördert: "Genug Öl für die Klimakatastrophe" titelte eine Berliner Zeitung.

Das Klima wurde zum Dreh- und Angelpunkt der gesamten Umweltdiskussion hochstilisiert, Kohlendioxyd zum finalen Giftgas modernen Wirtschaftens. Das ist zwar eindrucksvoll, aber nicht klug. Denn das neue Horrorszenario der dräuenden Klimakatstrophe basiert auf zahlreichen Übertreibungen, spekulativen Annahmen und Vermutungen - und auf der zweifelhaften Hochrechnung gegenwärtiger Trends mit Hilfe von Computermodellen.

Deshalb hat George W. Bush in einem Punkt ganz recht: Der wissenschaftliche Kenntnisstand in der Klimafrage ist unzureichend. Doch verstößt der Mann aus Texas mit dieser Ansicht gegen die politische Korrektheit. Wie immer, wenn es um die Rettung der Menschheit geht, gibt es sehr bald Wörter, die man nicht benutzen, Wahrheiten, die man nicht aussprechen, und Fragen, die man nicht stellen sollte. Das gilt auch für die Frage des Treibhauseffekts. Hat sich die Erde tatsächlich über ein von der Natur verursachtes Maß hinaus erwärmt? Wird sie sich weiter erwärmen? Und wenn ja, wäre das überhaupt schlimm? Besonders die letzte Frage gilt als zynisch.

Werden die Südsee-Inseln versinken?

Also wird mit moralischer Empörung geantwortet. "Die Luft gehört nicht uns, sondern ist ein Schatz künftiger Generationen", läßt der Generalsekretär der Vereinten Nationen wissen, und sein deutscher Umweltdirektor Klaus Töpfer ist "betroffen" und "schockiert". Die politischen Pensionäre Michail Gorbatschow und Jimmy Carter gaben sich ebenso fassungslos wie das chinesische Politbüro oder der deutsche Umweltminister. Greenpeace bedroht 100 amerikanische Firmen mit Boykott. Motto: Kauft nicht beim Amerikaner. Und Franz Josef Wagner, Kolumnist bei "Bild", schreibt als edler Wilder: "Lieber George W. Bush, wir werden nicht zulassen, daß Sie die Büffel ein zweites Mal töten."

Alle Gutmeinenden sehen sich zu einem weltweiten Schulterschluß veranlaßt. Drohende Hitzewellen, katastrophal steigende Meeresspiegel und sich ausbreitende Tropenkrankheiten werden zur Untermalung des Panikorchesters herangezogen. Die öffentliche Debatte über die sogenannte Klimakatastrophe ist durch vereinfachte Schuldzuweisung und emotionale Aufladung gekennzeichnet - klassische Merkmale von Propaganda. Deshalb ist eine gewisse Skepsis angebracht.

Schon der Zeitpunkt, an dem sich Wissenschaftler zu Wort melden, macht in der Klimadebatte oft stutzig. Neue Erkenntnisse erblicken auffällig häufig vor politischen Klimaverhandlungen das Licht der Welt. Auch massieren sich aus diesem Anlaß unheimliche Phänomene. So war etwa vor der (gescheiterten) Klimarunde im Herbst 2000 in Den Haag plötzlich der Nordpol verschwunden. Kreuzfahrt-Touristen an Bord eines russischen Eisbrechers entdeckten statt dessen eine eisfreie Wasserfläche. Das berichtete die "New York Times" auf ihrer Titelseite. Umgehend forderte der Hamburger Klimatologe Mojib Latib, "möglichst schnell etwas gegen den Treibhauseffekt zu tun", und Helmut Röscheisen, Generalsekretär des Deutschen Naturschutzbundes, beklagte die "Verprasserei der Ressourcen".

Zehn Tage später tauchte der Nordpol dann wieder auf - allerdings im hinteren Teil der "New York Times". Die Redaktion ließ in einer etwas zerknirschten Richtigstellung wissen, offene Stellen im Packeis seien im arktischen Sommer duchaus normal und deshalb kein Beleg für einen drohenden Klimagau. Dabei hätte schon ein Blick in die Reisebeschreibung des Eisbrechers "Yamal" genügt, um die Dramatik aus der Angelegenheit zu nehmen. Denn dort ist ausdrücklich von "offenen Wasserflächen" im betreffenden Gebiet die Rede, die "die Reise erheblich erleichtern".

Dies alles müßte eigentlich auch der Harvard-Ozeanograph James McCarthy gewußt haben, der mit dem Schiff eine Reise gebucht und den weltweiten Medienalarm ausgelöst hatte. Doch er ließ sich für Meldungen in Anspruch nehmen, etwas Vergleichbares habe es nach wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen zuletzt vor 50 Millionen Jahren gegeben. Bemerkenswert dabei: McCarthy ist nicht irgendein Ozeanograph, sondern er hat eine leitende Funktion in einer Arbeitsgruppe des "Intergovernmental Panel on Climate Change" (IPCC) inne. Das ist der von den Vereinten Nationen eingesetzte Klimarat, der den weltweiten wissenschaftlichen Sachverstand zusammenführen und zur Grundlage für politische Entscheidungen machen soll.

Es sind die fließenden Grenzen zwischen Politik, Umweltaktivismus und Wissenschaft, die die Konstruktion des IPCC so problematisch machen. "Wir sind empört darüber, wie der Öffentlichkeit ein völlig verdrehtes Bild der Tatsachen präsentiert wurde, nur um politische Interessen zu befördern", greift Paul Reiter, ein Wissenschaftlicher am amerikanischen Forschungszentrum für Denguefieber in Puerto Rico, das Gremium an. Reiter meint die vom IPCC geschürten Ängste vor einer Ausbreitung der Malaria infolge von Klimaerwärmung. Diese entbehren jeder soliden wissenschaftlichen Grundlage. Denn die Ausbreitung von Malaria hat mit den Temperaturen wenig zu tun. Die Seuche forderte in vergangenen Jahrhunderten von den Tropen bis nach Rußland und zum Polarkreis ihre Opfer - in kälteren Zonen als heute. Die Ursachen für die Ausbreitung der Anopheles-Mücke liegen unter anderem im Abholzen von Wäldern, im Anlegen neuer Reisfelder und im Verbot von DDT. Paul Reiter ist nicht gewillt, sich in eine angebliche Minderheitenposition abdrängen zu lassen: "Die neun Hauptautoren des betreffenden IPCC-Gesundheitskapitels haben insgesamt nur sechs wissenschaftliche Publikationen zu diesem Themenkreis verfaßt, wir können 600 Arbeiten vorweisen."

Selbstverständlich arbeitet auch eine große Zahl angesehener und respektierter Wissenschaftler dem IPCC-Gremium zu. Schlüsselpositionen haben aber jene Wissenschaftsfunktionäre inne, die den Wortlaut einer kurzen Zusammenfassung der viele tausend Seiten umfassenden Studien und Arbeiten festlegen. Keineswegs alle beteiligten Wissenschaftler können jedoch als Kronzeugen für die politische Zusammenfassung ihrer Arbeit in Anspruch genommen werden. Und schon gar nicht trägt die Mehrheit der Forscher mit, was Politiker und Journalisten in weiteren Verkürzungen und Dramatisierungen aus der IPCC-Zusammenfassung machen. Wer tiefer in die Materie einsteigt, entdeckt, daß vor allem im Konjunktiv gesprochen wird. Und er lernt, wie wissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Wege in die Öffentlichkeit verfälscht oder gar in ihr Gegenteil verkehrt werden. Eine kleine Auswahl von Beispielen soll das verdeutlichen.

Versinken die Südsee-Inseln? "Die Studie der Vereinten Nationen erwartet, daß der Wasserspiegel in den kommenden 100 Jahren um 88 Zentimeter steigt, was Land unter für große Teile der Erde bedeutete", schrieb Klaus Töpfer im Januar. Und er fuhr fort: "Für die Inseln im Pazifik ist dies sogar der Gau." Tatsächlich aber korrigierte das IPCC in seinem aktuellen Bericht den erwarteten Anstieg des Meeresspiegels gegenüber früheren Schätzungen nach unten, nicht nach oben. Von mehreren Metern ist man jetzt bei nur noch 11 bis 88 Zentimetern angelangt. Satellitenmessungen ergeben derzeit einen jährlichen Anstieg von maximal ein bis zwei Millimetern. Das wären in 100 Jahren 10 bis 20 Zentimeter. Und es gilt ohnehin: Seit mindestens 10.000 Jahren steigt der Meeresspiegel ganz langsam an.

Aussagen über das bevorstehende Versinken der Südsee-Inseln sind um so unwahrscheinlicher, je näher man diesen Atollen kommt. Chalapan Kaluwin, Klimawandel-Beauftragter des südpazifisichen Umweltprogramms in Samoa, sagt: "Gelegentliche Überschwemmungen, auf welcher südpazifischen Insel auch immer, haben wenig mit Klimaerwärmung zu tun." Er verweist auf Stürme, durch natürliche Umstände zyklisch steigende Fluten oder vulkanische Aktivitäten. Und Wolfgang Scherer, Direktor des südpazifischen Umwelt-Monitoring-Programms, sagte auf einer Pressekonferenz in Tarawa/Kiribati: "Wir haben bislang kein Anzeichen, das auf einen beschleunigten Meeresspiegelanstieg durch die Klimaerwärmung hindeutet."

Ein anderes Thema, das für Erregung sorgt: Schmelzen die Eiskappen des Planeten ab? Das Eis der Antarktis zieht sich seit der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren zurück - und wird dies vermutlich weitere 7000 Jahre tun. Eine Beschleunigung dieser Entwicklung scheint es nicht zu geben. Dem jüngsten IPCC-Bericht zufolge sind durch Satellitenbeobachtung seit 1970 keine signifikanten Veränderungen am Eispanzer der Antarktis feststellbar. In der Arktis glauben die IPCC-Forscher seit 1950 eine Abnahme der Eisdicke und einen Rückgang der Ausdehnung von 10 bis 15 Prozent festgestellt zu haben. Doch schwedische Forscher haben dem in der Fachzeitschrift "Geophysical Research Letters" teilweise widersprochen: Die bislang umfangreichste Auswertung von U-Boot-Daten ergebe seit Ende der achtziger Jahre keine Abnahme der Eisdicke mehr. Und Glaziologen vermuten, daß es sich auch um einen zyklischen Vorgang handeln könnte. Das Wissenschaftsmagazin "Nature" schrieb am 7. Dezember des Vorjahres: "Solange die Eishaut des Ozeans nicht alle Geheimnisse preisgibt, könnten sich die Versuche, die Zukunft unseres Klimas vorauszusagen, als Schuß ins Leere erweisen."

Absichtsvolle Dramatisierung

Eine weitere Frage: Durchleben wir derzeit den größten Temperatursprung der vergangenen 1000 Jahre? Paradox formuliert: Die These, die Menschheit durchlebe derzeit vermutlich den größten Temperatursprung des letzten Millenniums, basiert nicht auf einer aktuellen Erhitzung, sondern umgekehrt darauf, daß die Experten die letzten 1000 Jahre von einer wärmeren in eine kältere Phase umgedeutet haben. Denn aufgrund einer umstrittenen Rekonstruktion des historischen Klimas, die sich nur auf die Nordhalbkugel und dort vor allem auf indirekte Schlüsse aus Baumringen stützt, hat das IPCC die auf dem ganzen Globus ausgeprägte mittelalterliche Warmperiode kurzerhand als lokales Phänomen abgetan und sie damit ungeschehen gemacht. Der Handstreich steht im Widerspruch zu Erkenntnissen der Mehrheit der historischen Klimaexperten, die diese Warmzeit durch zahllose Berichte und Studien weltweit und lückenlos dokumentieren können. Das mittelalterliche Klimaoptimum kannte höchstwahrscheinlich wärmere Zeiten als wir heute und war von blühender Landwirtschaft und einem weitgehend eisfreien Grönland, sprich: Grünland gekennzeichnet. Auch auf einer Grafik in den IPCC-Studien von 1995 war das noch klar zu erkennen. Jetzt aber ist es verschwunden. In der Klimakurve des IPCC-Berichtes 2001 steigt die Temperatur nach 1000 mehr oder weniger kühlen Jahren erst in modernen Zeiten steil an. Das macht selbst ausgeglichene Gemüter mißtrauisch. "Die Wikinger konnten um diese Zeit nur nach Nordamerika segeln, weil die Nordpassage eisfrei war", sagt Ernest Rudel, Leiter der Abteilung für Klimatologie an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien.

Wir die Erderwärmung immer dramatischer? Robert Watson, Vorsitzender des IPCC, spricht von "einer potentiell katastrophalen Erwärmung". Meistens wird er mit der Aussage zitiert, es könne in den nächsten 100 Jahren zu einem "weltweiten Temperaturanstieg bis zu 5,8 Grad" kommen. Dies deutet auf eine dramatische Verschärfung der Lage hin. Die verschärfte Lage entstand jedoch in erster Linie nicht durch neue Beobachtungen, sondern durch neue Berechnungen. Diesen liegen sogenannte "Storylines" zugrunde, die Annahmen über Weltbevölkerung, Wohlstand, Energieverbrauch und Technologie in den nächsten 100 Jahren enthalten. Die fiktiven Zukunftsentwürfe wurden dann in mathematische Klimasimulationen eingefüttert. Der polnische Physiker Zbigniew Jaworowski bezeichent Klimamodelle recht treffend als "in mathematische Form gebrachte Meinungen ihrer Schöpfer über das Funktionieren des globalen Klimasystems". Sie sind sehr viel besser geworden, aber immer noch nicht geeignet, so entscheidende Klimafaktoren wie Wolken nachzubilden. Das Prozedere umfaßte 245 verschiedene Szenarien, herauskamen Temperatur-Projektionen zwischen plus 1,4 und maximal 5,8 Grad. Nur eine von 245 berechneten Möglichkeiten dominiert seitdem die Öffentlichkeit: der Maximalwert von 5,8 Grad. Dr. John Christy, ein am IPCC-Bericht beteiligter Atmosphärenwissenschaftler, sagt dazu: "Dieses Szenario wird nicht eintreten. Die Welt ist in einem erheblich besseren Zustand, als es in diesem Untergangsbild gemalt wird." Und Klimaforscher Ernest Rudel sieht es so: "Der Bericht ist dramatisch aus Frustration, weil politisch gar nichts weitergeht." Eine mögliche Erwärmung bis eineinhalb Grad gestehen im übrigen auch die größten Skeptiker zu - doch wäre dies keine Katastrophe.

Treiben Hitzewellen die Globaltemperatur nach oben? Seit 1860 ist die durchschnittliche Temperatur des Planeten um etwa 0,6 Grad angestiegen. Was nicht besonders verwunderlich ist: Der Beginn der meisten physikalischen Temperaturmessungen fällt mit dem Ende der kleinen Eiszeit um 1860 zusammen. Die Globaltemperatur ist aber keine Temperatur, die irgendwo tatsächlich herrscht. Sie ist ein Hilfskonstrukt wie beispielsweise das globale Pro-Kopf-Durchschnittseinkommen. Der bereits gemittelte 24-Stunden-Durchschnitt aus Hunderten von Meßstationen wird über den Globus und übers Jahr gemittelt. Bei der Analyse der vielen tausend Daten stellt sich heraus: Der Anstieg des Durchschnittswertes geht keineswegs auf das Konto außergewöhnlicher Hitzewellen. Er resultiert in erster Linie aus milderen Nächten, kürzeren Wintern und etwas weniger extremen Wintertemperaturen in den nördlichen Breiten - allesamt eher erfreuliche Erscheinungen.

Wäre eine Klimaerwärmung in jedem Fall katastrophal? Nach der derzeit herrschenden Doktrin gewiß. Gemäß der Evolution jedoch nicht. Erd- und menschheitsgeschichtlich zeichneten sich warme Zeiten durch hohe Artenvielfalt sowie aufblühende Gesellschaften und Kulturen aus. Warme Phasen sind für das Wachstum und die Ausdehnung der Landpflanzen - und damit für die Lebensgrundlage aller Lebewesen - vorteilhaft. In kalten Zeiten geht es dagegen berab. Gute Ernten in der mittelalterlichen Warmzeit und Hungerjahre in der darauf folgenden kleinen Eiszeit belegen das. Doch selbst gute Nachrichten werden inzwischen zu schlechten Zeichen umgedeutet.

Die planetare Kühlmaschine

Als kürzlich eine Studie das Vordringen von Gräsern in Wüstengegenden nahelegte, wurde dies mit folgender Schlagzeile vermeldet: "Steigender Gehalt von Kohlendioxyd erhöht Brandgefahr in der Steppe". Australische Forscher bericheteten dieser Tage aufrichtig schockiert von ihren Beobachtungen auf Heard Island zwischen Australien und der Antarktis: Mehr Vegetation! Mehr Vögel! 25.000 Pinguin-Paare gegenüber drei im Jahre 1945: Welch ein Schreckensbild! Klimaänderungen kannten immer Gewinner und Verlierer. Doch die Beobachtung heutiger Klimafolgen entspricht dem allgemeinen Zeitgeist: Alles, was sich ändert, ist gefährlich.

Ist Kohlendioxyd eigentlich ein Schadstoff? "US-Gesetze gegen Naturgesetze" lautete der Kommentar einer großen deutschen Zeitung zu George W. Bushs Weigerung, Kohlendioxyd als Luftschadstoff im Sinne der amerikanischen "Clean Air Act" zu behandeln. Die Natur spricht allerdings für die amerikanischen Gesetze. Sonst müßte man dem Menschen das Atmen verbieten. Denn er ist selbst eine Verbrennungsmaschine. Schon wenn er den Brennwert seines Frühstücks umwandelt, emittiert er Kohlendioxyd. Fährt er nun mit dem Auto zur Arbeit, entweicht das Kohlendioxyd nicht nur seiner Lunge, sondern auch seinem Autoauspuff. Das ist dann der Schritt vom Emittenten zum Delinquenten.

Doch wie soll man gutes und schlechtes Kohlendioxyd unterscheiden? Genau an dieser Frage ist der Klimagipfel im Herbst 2000 in Den Haag gescheitert. Nach dem Willen der Vereinigten Staaten und weiterer Länder sollte dabei nicht nur der CO2-Ausstoß durch die Schlote anrechenbar sein, sondern auch dessen Absorption, beispielsweise durch Wälder. Es ging schlicht ums Geld, weshalb belastbare Daten gebraucht wurden. Doch die gibt es nicht. Ob und wieviel Kohlenstoff natürliche Speicher tatsächlich aufnehmen, ist nach wie vor ein Rätsel. Die Wissenschaft sah sich außerstande anzugeben, welchen Beitrag Ozeane, Flüsse, Wälder oder Felder im einzelnen leisten, ganz zu schweigen von den Austauschvorgängen unter wechselnden Bedingungen. Wie die Sonne, das Wasser oder der Sauerstoff hält Kohlendioxyd den planetaren Kreislauf in Gang, es dient zur Ernährung der Pflanzen.

Ist der Treibhauseffekt menschengemacht? Zusammen mit dem Wasserdampf und anderen Spurengasen sorgt Kohlendioxyd für einen natürlichen und überlebensnotwendigen Treibhauseffekt. Es förderte die Karriere des Homo sapiens nach Kräften, ohne Treibhausdecke würde der Planet bei minus 18 Grad sehr sibirisch aussehen. Tatsächlich ist es jedoch noch komplizierter. Der Nasa-Klimatologe Roy W. Spencer erklärt es so: "Würde der natürliche Treibhauseffekt ungedämpft wirken, so herrschten auf der Erde rund 55 Grad." Der Planet hat aber in Form von Verdunstung und Wetterprozessen ein hervorragendes Kühlsystem installiert, das die Temperatur derzeit im Bereich um 15 Grad stabilisert. Während die Forschung den Treibhauseffekt selbst immer besser darstellen kann, entziehen sich die komplexen Wechselwirkungen dieses gigantischen Kühlsystems einer Simulation. Und das ist der eigentliche Kernpunkt des Klimastreites: Gleicht die planetare Kühlmaschine den relativ geringen zusätzlichen Beitrag des Menschen zum Treibhauseffekt ganz oder teilweise aus, oder ist das nicht der Fall?

Der Mensch ist mit nur etwa drei Prozent an der globalen CO2-Emission beteiligt, den Rest besorgen Ozeane, Böden und Vegetation. Die Natur nimmt über kurz oder lang so viel CO2 auf, wie sie hergibt. Ein Teil des bei der Verbrennung von fossilen Rohstoffen entstehenden Kohlendioxyds wird derzeit aber nicht von der Natur verarbeitet und reichert sich in der Atmosphäre über das normale Maß hinaus an. Neben signifikanten Einflüssen der Sonne und der Ozeane könnte dieser relativ geringfügige zusätzliche Effekt bei der jüngsten Erwärmung seit den achtziger Jahren einen gewissen Anteil haben. Die größte Erwärmung des vergangenen Jahrhunderts fand allerdings zwischen 1910 und 1945 statt, als menschengemachtes CO2 noch keine große Rolle spielte.

Britische Physiker vom Imperial College in London machten dieser Tage Schlagzeilen, weil sie anhand von Satellitendaten feststellten, daß im Jahre 1999 gegenüber 1970 weniger Wärme von der Erde in den Weltraum abgestrahlt wurde. Doch das ist nur die halbe Geschichte. Sie wiesen gleichzeitig darauf hin, daß sie keine Aussage darüber machen können, ob dies nun zu einer Erwärmung oder wegen rückkoppelnder Effekte beispielsweise durch mehr Wolken zu einer Abkühlung führe. Am auffälligsten waren die Veränderungen auch nicht beim Kohlendioxyd, sondern bei Methan und den (inzwischen verbotenen) Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW).

Ist die Aufkündigung des Kyoto-Protokolls eine Katastrophe? Richard E. Benedick war unter Präsident Ronald Reagan einer der Architekten des Abkommens von Montreal zum Verbot der ozonschädigenden FCKW-Stoffe und später einer der Gründungsväter des IPCC. Das Kyoto-Protokoll ist seiner Ansicht nach in die Sackgasse geraten, weil es viel zu kompliziert sei. Kernstück einer neuen Strategie müsse ein gigantisches Forschungsprogramm für neue Energien nach dem Vorbild des amerikanischen Mondlandeprojektes sein, von dem auch die Entwicklungsländer profitieren sollten. Für ein solches Programm könne auch George W. Bush gewonnen werden. Ingenieure werden die Kohlendioxydfrage lösen, nicht Ideologen oder Klimabürokraten.

In der gegenwärtig hitzig geführten Debatte wird meist übersehen, daß das Kyoto-Protokoll zwar von großer symbolischer, aber fast keiner praktischen Bedeutung wäre. Der Vereinbarung zufolge wollten die Industrieländer den Ausstoß von Kohlendioxyd bis zum Jahre 2012 um fünf Prozent unter die Werte von 1990 senken. Der ausgewiesene Klimaforscher Tom Wigley hat einmal kalkuliert, welche Auswirkungen es haben würde, wenn sich tatsächlich alle Länder peinlich genau an das Regulierungswerk halten würden. Einmal unterstellt, die derzeitigen Klimamodelle sind richtig gerechnet, ergäbe sich, so Wigley, für das Jahr 2050 eine Verminderung des Temperaturanstiegs um 0,07 Grad. Und der läge unterhalb der Schwelle der Nachweisbarkeit.

 

Der Verfasser ist freier Umwelt- und Wissenschaftspublizist. Mit Michael Miersch veröffentlichte er soeben "Das Mephisto-Prinzip".

 

Leserbriefe in der FAZ zum Thema:

FAZ, 10.4.2001
Nicht von Menschenhand
Zur Leitglosse "Bushs Welt" (F.A.Z. vom 31. März): Präsident George W. Bush und sogar die Leiterin der Umweltbehörde, Christine Todd Whitman, haben dem sogenannten "Kyoto-Protokoll" den längst fälligen Totenschein ausgestellt. Es ist wirklich sehr zu hoffen, daß man wenigstens in den Vereinigten Staaten einsieht, daß es keinen menschengemachten "Treibhauseffekt" dank Kohlendioxydeintrag gibt. Vor Millionen von Jahren gab es einen weit höheren Kohlendioxydgehalt der Erdatmosphäre, was unter anderem zum enormen Wachstum der Wälder - die heutigen Kohlevorkommen - führte. Die wiederholten Temperaturänderungen der Erdatmosphäre werden seit Urzeiten allein von der Sonne verursacht. Diese Temperaturänderungen ohne jeden menschlichen Eingriff sind die Ursache der Kohlendioxydänderungen in Europa in der Atmosphäre. Ich bezweifle aber, daß Europa - insonderheit Deutschland - diese Zusammenhänge zu verstehen lernt und den unwissenschaftlichen, aber politisch wirksamen sogenannten "Treibhauseffekt" von Kyoto begräbt.
Gottfried Richter, Aschau/Chiemgau

 

FAZ, 10.4.2001

Zweiter Schritt vor dem ersten
Zum Leitartikel "Rückschlag für die Umweltpolitik" (F.A.Z. vom 2. April): Die ablehnende Haltung der amerikanischen Regierung zum Klima-Protokoll von Kyoto hat teils Entrüstung, teils Unverständnis ausgelöst. Es dürfte jedoch ratsam sein, sich auch einmal die Kehrseite der Medaille anzusehen. Ganz allgemein besteht kein Zweifel: Naturschutz tot nut, und Klimaschutz ist ein wichtiger Teil. Es hat jedoch keinen Sinn, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Zuerst müssen bessere Forschungsergebnisse vorliegen. Die Wichtigkeit des Themas hat schon viel Geld flüssig gemacht. Und wo das geschieht, treten immer auch allerhand Nebeninteressen auf den Plan. Die europäische und die Politik der Vereinigten Staaten sollten die besonnene Haltung der Vereinigten Staaten nutzen und selbstkritisch das eigene Tun überprüfen. Der Kohlendioxyd-Haushalt, ein wichtiger klimasteuernder Teil der atmosphärischen Vorgänge, ist noch viel zuwenig bekannt, um die Wirtschaft zu drosseln, die ja die Geldmittel erbringt, die nötig sind, ein neues Umweltverhalten zu finanzieren. Der Einspruch der Vereinigten Staaten bietet die Gelegenheit, Trittbrettfahrer, die es übrigens auch in der Wissenschaft gibt, von Bord zu stoßen.
Dr. rer. nat. Wolf Tietze, Helmstedt

 

FAZ, 14.4.2001
Klima-Apokalypse als Glaubensbekenntnis
Zum Artikel "EU will Kyoto-Protokoll auch ohne Amerika durchsetzen" (F.A.Z. vom 6. April): Einige hundert Wissenschaftler rieten schon dem ehemaligen Präsidenten Bill Clinton, sich politisch in der Kohlendioxyd-Diskussion nicht zu engagieren. Bei uns trieft die Klima-Apokalypse als Glaubensbekenntnis immer noch aus allen Medien. Präsident George W. Bush ist in seiner Haltung konsequent, nicht weil er etwa des Profits wegen verantwortungslos sich und den Rest der Welt ins Verderben stürzen will, sondern weil er wissenschaftlich besser beraten wird.
Denn inzwischen ist eines klargeworden: Kohlendioxyd ist nicht nur kein Treibhausgas. Es wird sich außerdem auch niemals dauerhaft in der Atmosphäre akkumulieren. Kohlendioxyd ist das einzige "Nahrungsmittel" der Algen. Diese leben in einer durch sie selbst geschaffenen dauernden Kohlendioxyd-Mangelsituation und vermehren sich explosionsartig, sobald ihnen überschüssiges Kohlendioxyd zur Verfügung steht. Die Algen leben in Symbiose mit den kalkbildenden Foraminiferen, die das Kohlendioxyd als Kalziumkarbonat auf diese Weise kontrolliert am Meeresboden absetzen. Dabei macht der Anteil der anthropogenen Kohlendioxydemission nur wenige Prozent des jährlich aus dem Erdinnern, aus Erdspalten und Vulkanen in die Atmosphäre geratenden Kohlendioxyds aus. Dies ist ein natürlicher, geregelter Prozeß, der seit Jahrmillionen so abläuft und die Atmosphäre für die höheren Lebewesen erst bewohnbar gemacht hat und in ihrer Zusammensetzung erhält. Dieser Prozeß wird auch dafür sorgen, daß, selbst wenn dereinst alle verfügbaren fossilen Ressourcen durch den Menschen verbraucht sein werden, die Kohlendioxydkonzentration, durch diesen biologischen Regelkreis konstant gehalten, sich nicht ändern. Es scheint, daß sich diese Erkenntnis allmählich durchsetzt. Es wird interessant sein, zu beobachten, wie die zentrale grüne Lebenslüge endgültig zerplatzt.
Professor Dr.-Ing. Bert Küppers, Roetgen