Offener Brief der NRW-Bürgerinitiativen gegen den weiteren maßlosen Windkraftzubau in NRW vertreten durch sechs Vertreter

persönlich

Herrn Ministerpräsident Clement
Staatskanzlei
40002 Düsseldorf


Zubau weiter Landstriche mit Windindustrieanlagen
Diskussion mit Herrn Minister Vesper am 31.10.01


Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

am 31.10.01 waren wir Unterzeichner neben eingeladenen Vertretern anderer Gruppierungen auf Einladung des Ministers Vesper als kleine Minderheit und Vertreter zahlreicher Bürgerinitiativen, die sich nachhaltig und deutlich gegen den bisherigen Umbau weiter Landschaften in NRW zu Windindustriegebieten aussprechen, auf einer Diskussionsrunde im Düsseldorfer Ministerium. Allerdings waren wir die einzigen Vertreter, die sich kritisch mit diesem beispiellosen Zubau auseinandersetzen.

Ziel dieser Gesprächsrunde sollte es gemäß Einladung sein, wie die Windkraft die Akzeptanz der Menschen gewinnen kann.

Schon mit Beginn der Diskussionsrunde wurden wir insoweit überrascht, dass entgegen der Einladung auch eine Reihe Windlobbyvertreter anwesend waren.

Herr Minister Vesper sah den anwesenden Kreis in seinen einleitenden Worten vor allem als Runde zum Zuhören. Neben den von uns dezidiert und anhand von vielen Beispielen dargelegten Unzulänglichkeiten der bisherigen Rechtslage, wie sie sich insbesondere im Winderlaß vom 03.05.2000 und den weisungsmäßigen Eingriffen bei den Genehmigungsbehörden durch das Bauministerium manifestiert, wurde überraschenderweise auch von Seiten der eingeladenen Bürgermeister kritisches angemerkt. Die Vertreter der Umweltverbände glänzten durch die Aussage, dass Landschaftsschutzgebiete ein „Muster ohne Wert“ seien und selbst dort Windindustrieanlagen gebaut werden könnten. Dies macht uns sprachlos. So werden jahrzehnte lange Bemühungen vieler umweltengagierter Menschen um Schutzgebiete mit Füßen getreten.

Gerade im Münsterland werden mit massiver Unterstützung durch das Bauministerium und unter Verweis auf den Winderlass Windindustrieanlagen bis zu 200m an Wohnhäuser heran genehmigt. In der von Herrn Vesper als Mustergemeinden hervorgehobenen Gemeinde Marsberg wurden 1500m Mindestabstand eingehalten und durch den Bürgermeister bekräftigt. In Anröchte fühlen sich laut Aussage des Bürgermeisters Menschen bei einem Abstand von 800m zu einem Windindustriegebiet wie Menschen zweiter Klasse und in Lichtenau stehen laut Aussage des Bürgermeisters am Windfeld nur drei Wohnhäuser, die allerdings am Windindustriegebiet maßgeblich beteiligt sind. Es blieb nicht nachvollziehbar, weshalb Herr Minister Vesper das Paderborner Land dem Münsterland gleichstellte, wo doch allgemein bekannt ist, dass dort eine völlig andere Siedlungsstruktur (Streusiedlung) vorliegt. Demgegenüber sind zu Biotopen pp. mindestens 500m Abstand einzuhalten. Es war mehr als ärgerlich, das der Abstandserlass (min. 500m) NRW für Industrieanlagen, wie er schon in der Anhörung am 19.09.01 Gegenstand war, erst bestritten wurde und dann angeblich nicht bekannt war. Die umfangreichen Expertenstellungnahmen vom 19.09.01 waren von den Experten der anwesenden Ministerien offensichtlich bis heute nicht einmal gelesen worden. Dabei hat sich in der Praxis eindeutig herausgestellt, dass die TA-Lärm weder alleiniges Kriterium für die Festlegung von Abständen zur Wohnbebauung sein kann noch darf.

Nach all dieser sachlich geäußerten Kritik an der nicht länger tragfähigen und so nicht weitergehenden Zubau weiter Landschaften und Landstriche in NRW zu Lasten tausender Bürger begründende Politik des Landes NRW waren wir erstaunt zu hören, dass durch Herrn Vesper schon im Vorfeld eine Pressekonferenz über diesen Termin anberaumt worden war. Trotz geäußerten Wunsches durften wir an dieser Konferenz nicht teilnehmen, ja nicht einmal zuhören.

Geradezu entsetzt waren wir aber, als wir den Text der Pressemitteilung durch Dritte erhielten. Dort teilte Herr Minister Vesper allen Ernstes trotz einer über zweistündigen Diskussion und entgegen unserer dezidierten Kritik mit, dass „die bereits vorhandenen rechtlichen Instrumente zur Planung von Windkraftanlagen“ sich bewährt hätten. Genau das Gegenteil ist nachweisbar anhand zahlreicher Beispiele. Auch verwahren wir uns dagegen als Glaubenskrieger bezeichnet zu werden, zumal solches bei der derzeit weltpolitischen Lage einen Affront darstellt.

Durch dieses Verhalten wurde uns deutlich, dass wir durch Herrn Minister Vesper missbraucht und instrumentalisiert wurden. Wir können unserer Verwunderung und Verärgerung kaum Worte verleihen angesichts solcher Verhaltensweise eines Ministers und können uns nicht vorstellen, dass solch politisches Verhalten von der SPD vorbehaltlos mitgetragen wird.

Wir stehen nach diesen Vorfällen für weitere Kaffeerunden nicht zur Verfügung. Wir sind nicht das Aushängeschild eines Ministers, der Menschen für seine Politik instrumentalisiert. Wir sind für den angemessenen Ausbau regenerativer Energien, was aber nicht heißt den unseligen Ausbau der Windkraft in NRW fortzusetzen. Wir stehen für viele tausend betroffene Bürger in NRW und werden diese soziale Verantwortung den politischen Vorstellungen eines Ministers nicht opfern.

Wir fordern von den Verantwortlichen der Landesregierung eine menschenachtende, im Gegensatz zur bisherigen Planung restriktive Handhabung wie auch Nutzung aller rechtlichen Instrumente zum Schutz der Bevölkerung vor dem Zubau mit Windindustrieanlagen und eine offizielle Anerkennung mit Beratervorbehalt bei der noch bevorstehenden Erarbeitung des aktuell neuen Winderlasses, für den laut Aussage der ministeriellen Experten noch nicht einmal ein Entwurf vorliege.

Die anwesenden Vertreter der BI (ohne persönl. Unterschrift da Versand per mail)

gez. Frau Heidfeld, Warendorf
gez. Frau Selhorst, Ascheberg
gez. Frau Witting, Lommersum
gez. Herr Dinslaken, Baesweiler
gez. Herr Dr. Jürgens, Pro Enger*
gez. Herr Mock für Herrn Lülf, Borken
* wg. Urlaub keine letzte Textabstimmung mehr möglich