URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)

7. Dezember 2000 (1)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinien 79/409/EWG und 92/43/EWG - Erhaltung der wild lebenden Vogelarten - Besondere Schutzgebiete

In der Rechtssache C-374/98

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Stancanelli, Juristischer Dienst, und O. Couvert-Castéra, zum Juristischen Dienst abgeordneter nationaler Beamter, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Klägerin,

gegen

Französische Republik, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und R. Nadal, stellvertretender Sekretär für auswärtige Angelegenheiten in derselben Direktion, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Französische Botschaft, 8 B, boulevard Joseph II, Luxemburg,

Beklagte, wegen Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass sie zum einen das Gebiet Basses Corbières (Frankreich) nicht zu einem besonderen Schutzgebiet für bestimmte in Anhang I der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1) aufgeführte Vogelarten und für bestimmte nicht in diesem Anhang genannte Zugvogelarten erklärt und entgegen Artikel 4 Absätze 1 und 2 dieser Richtlinie auch keine besonderen Schutzmaßnahmen hinsichtlich der Lebensräume dieser Vogelarten ergriffen hat und zum anderen entgegen Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7) im Gebiet Basses Corbières nicht die geeigneten Maßnahmen getroffen hat, um Störungen der in diesem Gebiet vorkommenden Arten und Verschlechterungen ihrer Lebensräume zu vermeiden, die sich aus der Eröffnung und dem Betrieb von Kalksteinbrüchen auf dem Gebiet der Gemeinden Tautavel und Vingrau (Frankreich) ergeben und sich erheblich auswirken könnten,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann (Berichterstatter) sowie der Richter V. Skouris und R. Schintgen,

Generalanwalt: S. Alber


Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 16. Dezember 1999, in der die Kommission durch O. Couvert-Castéra und die Französische Republik durch A. Maitrepierre, Chargé de mission in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte vertreten waren,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Februar 2000,

folgendes

Urteil

1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 16. Oktober 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) Klage erhoben auf Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass sie zum einen das Gebiet Basses Corbières (Frankreich) nicht zu einem besonderen Schutzgebiet für bestimmte in Anhang I der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1; im Folgenden: Vogelschutzrichtlinie) aufgeführte Vogelarten und für bestimmte nicht in diesem Anhang genannte Zugvogelarten erklärt und entgegen Artikel 4 Absätze 1 und 2 dieser Richtlinie auch keine besonderen Schutzmaßnahmen hinsichtlich der Lebensräume dieser Vogelarten ergriffen hat und zum anderen entgegen Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7; im Folgenden: Habitatrichtlinie) im Gebiet Basses Corbières nicht die geeigneten Maßnahmen getroffen hat, um Störungen der in diesem Gebiet vorkommenden Arten und Verschlechterungen ihrer Lebensräume zu vermeiden, die sich aus der Eröffnung und dem Betrieb von Kalksteinbrüchen auf dem Gebiet der Gemeinden Tautavel und Vingrau (Frankreich) ergeben und sich erheblich auswirken könnten.

Rechtlicher Rahmen

2.
Artikel 4 der Vogelschutzrichtlinie bestimmt:

(1)Auf die in Anhang I aufgeführten Arten sind besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen.

In diesem Zusammenhang ist Folgendes zu berücksichtigen:

a) vom Aussterben bedrohte Arten,

b) gegen bestimmte Veränderungen ihrer Lebensräume empfindliche Arten,

c) Arten, die wegen ihres geringen Bestands oder ihrer beschränkten örtlichen Verbreitung als selten gelten,

d) andere Arten, die aufgrund des spezifischen Charakters ihres Lebensraums einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen.

Bei den Bewertungen werden Tendenzen und Schwankungen der Bestände der Vogelarten berücksichtigt.

Die Mitgliedstaaten erklären insbesondere die für die Erhaltung dieser Arten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten, wobei die Erfordernisse des Schutzes dieser Arten in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, zu berücksichtigen sind.

(2)Die Mitgliedstaaten treffen unter Berücksichtigung der Schutzerfordernisse in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, entsprechende Maßnahmen für die nicht in Anhang I aufgeführten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten hinsichtlich ihrer Vermehrungs-, Mauser- und Überwinterungsgebiete sowie der Rastplätze in ihren Wanderungsgebieten. Zu diesem Zweck messen die Mitgliedstaaten dem Schutz der Feuchtgebiete und ganz besonders der international bedeutsamen Feuchtgebiete besondere Bedeutung bei.

(3) ...

(4)Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sich diese auf die Zielsetzungen dieses Artikels erheblich auswirken, [in den] in den Absätzen 1 und 2 genannten Schutzgebieten zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten bemühen sich ferner, auch außerhalb dieser Schutzgebiete die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume zu vermeiden.

3.
Die Habitatrichtlinie sieht in Artikel 7 vor: Was die nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/409/EWG zu besonderen Schutzgebieten erklärten oder nach Artikel 4 Absatz 2 derselben Richtlinie als solche anerkannten Gebiete anbelangt, so treten die Verpflichtungen nach Artikel 6 Absätze 2, 3 und 4 der vorliegenden Richtlinie ab dem Datum für die Anwendung der vorliegenden Richtlinie bzw. danach ab dem Datum, zu dem das betreffende Gebiet von einem Mitgliedstaat entsprechend der Richtlinie 79/409/EWG zum besonderen Schutzgebiet erklärt oder als solches anerkannt wird, an die Stelle der Pflichten, die sich aus Artikel 4 Absatz 4 Satz 1 der Richtlinie 79/409/EWG ergeben.

4.
Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitatrichtlinie bestimmt:

(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigeneinzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4) Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen.

Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden.

5.
Nach Artikel 23 Absatz 1 der Habitatrichtlinie erlassen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um der Richtlinie binnen zwei Jahren nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen. Da die Richtlinie im Juni 1992 bekannt gegeben wurde, lief diese Frist im Juni 1994 ab.

Vorverfahren

6.
Am 2. Juli 1996 sandte die Kommission der französischen Regierung wegen Nichtbeachtung des durch die Habitatrichtlinie geänderten Artikels 4 der Vogelschutzrichtlinie in Bezug auf das Gebiet Basses Corbières, das an der Grenze zwischen den Departements Aude und Pyrénées-Orientales liegt, eine schriftliche Aufforderung zur Äußerung. In diesem Schreiben hieß es, dass das Gebiet Basses Corbières wegen seiner Bedeutung für die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten, insbesondere des Habichtsadlers, zum besonderen Schutzgebiet hätte erklärt werden müssen und dass die Eröffnung und der Betrieb von Kalksteinbrüchen in diesem Gebiet zu dessen Verschlechterung geführt hätten, ohne dass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit dieser Maßnahme vorgelegen hätten.

7.
In ihrer Antwort vom 28. November 1996 wies die französische Regierung darauf hin, dass die französischen Behörden die Bedeutung des betreffenden Gebietes beachtet hätten, indem sie durch den Erlass einer Präfektoralverfügung über die Erhaltung des Biotops des Habichtsadlers auf dem Gebiet der Gemeinden Vingrau und Tautavel eine besondere Schutzmaßnahme für diese Vogelart getroffen hätten. Im Übrigen sei beabsichtigt, die betreffenden Gebiete zu besonderen Schutzgebieten zu erklären. Außerdem baue die Gesellschaft OMYA seit vielen Jahren ein Kalksteinvorkommen auf dem Gebiet der Gemeinde Tautavel ab. Wegen der Erschöpfung des Vorkommensin dieser Gemeinde habe die OMYA beantragt, die Ausdehnung des Abbaus des Vorkommens auf die Nachbargemeinde Vingrau zu genehmigen. Das Urteil der Cour administrative d'appel Bordeaux (Frankreich), mit dem die Präfektoralverfügung für nichtig erklärt worden sei, durch die der OMYA erlaubt worden sei, auf dem Gebiet der Gemeinde Vingrau die Anlagen zum Kalksteinabbau zu errichten, trage den Anforderungen der Vogelschutzrichtlinie Rechnung.

8.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 1997 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie die Auffassung vertrat, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen habe, dass sie zum einen das Gebiet Basses Corbières nicht zu einem besonderen Schutzgebiet für bestimmte in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführte Vogelarten und für bestimmte nicht in diesem Anhang genannte Zugvogelarten erklärt und entgegen Artikel 4 Absätze 1 und 2 dieser Richtlinie keine besonderen Schutzmaßnahmen hinsichtlich der Lebensräume dieser Vogelarten ergriffen habe und zum anderen entgegen Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitatrichtlinie im Gebiet Basses Corbières nicht die geeigneten Maßnahmen getroffen habe, um Störungen der in diesem Gebiet vorkommenden Arten und Verschlechterungen ihrer Lebensräume zu vermeiden, die sich aus der Eröffnung und dem Betrieb von Kalksteinbrüchen auf dem Gebiet der Gemeinden Tautavel und Vingrau ergäben und sich erheblich auswirken könnten. Die Kommission forderte die Französische Republik auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen.

9.
Mit Schreiben vom 22. Juli 1998 antworteten die französischen Behörden auf die mit Gründen versehene Stellungnahme. Sie erklärten insbesondere, dass aufgrund einer sehr umfassenden Verträglichkeitsstudie die Auswirkungen der betreffenden Steinbrüche auf die Verwirklichung der Gemeinschaftsziele hätten beurteilt werden können. Anhand dieser Studie seien geeignete Ausgleichsmaßnahmen getroffen worden, um die Auswirkungen des Vorhabens auf die natürlichen Lebensräume, die Arten und die Landschaft zu verringern. In ihrem Schreiben teilten die französischen Behörden ferner mit, dass die der OMYA erteilten Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb einer überwachungsbedürftigen Anlage in einer Entscheidung des Conseil d'État (Frankreich) vom 18. Dezember 1996 und einer Entscheidung des Tribunal administratif Montpellier (Frankreich) vom Januar 1998 gebilligt worden seien. Außerdem werde zwischen Gegnern und Befürwortern des Steinbruchs in Vingrau vermittelt, und im Anschluss daran würden die Behörden ein Verfahren zur Ausweisung als besonderes Schutzgebiet einleiten.

Begründetheit

10.
Die Kommission wirft der Französischen Republik vor, sie habe

-erstens das Gebiet Basses Corbiéres nicht zum besonderen Schutzgebiet erklärt;

-zweitens keine ausreichenden besonderen Schutzmaßnahmen hinsichtlich der Lebensräume der in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie genannten Vogelarten und der dieses Gebiet besuchenden Zugvogelarten ergriffen und

-drittens nicht die geeigneten Maßnahmen getroffen, um in diesem Gebiet Störungen der betreffenden Arten und eine Verschlechterung ihrer Lebensräume zu vermeiden.

Zur Ausweisung als besonderes Schutzgebiet

11.
Die Kommission trägt vor, dass der ornithologische Reichtum des Gebietes Basses Corbières, das in einem Korridor für Zugvogelwanderungen von europäischer Bedeutung liege, es gerechtfertigt habe, dass dieses Gebiet von den französischen Behörden in die Gebiete von Bedeutung für die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (GBEV) aufgenommen worden sei. Das als GBEV ausgewiesene Gebiet habe eine Fläche von 47 400 Hektar. In Basses Corbières kämen mehrere der in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie genannten Vogelarten vor, insbesondere ein Habichtsadlerpärchen, von denen es in Frankreich ungefähr zwanzig gebe; außerdem sei es ein wichtiges Gebiet für den Zug von Raubvögeln.

12.
Die französische Regierung räumt ein, dass die Ausweisung von Basses Corbiéres als besonderes Schutzgebiet aufgrund starker Meinungsverschiedenheiten auf lokaler Ebene verzögert worden sei. Dank der Tätigkeit eines von der französischen Regierung beauftragten Vermittlers sei es jedoch möglich gewesen, einen erheblichen Teil des Gebietes Basses Corbières zum besonderen Schutzgebiet zu erklären. Im Übrigen müsse sie nach Artikel 4 der Vogelschutzrichtlinie in dessen Auslegung durch den Gerichtshof diejenigen Gebiete zu besonderen Schutzgebieten erklären, die ihr für die Erhaltung der Vögel zahlen- und flächenmäßig am geeignetsten erschienen. Die französischen Behörden seien daher nicht verpflichtet, das gesamte im nationalen Verzeichnis der GBEV aufgeführte Gebiet zum besonderen Schutzgebiet zu erklären. Die Regierung trägt ferner vor, dass der Habichtsadler in ornithologischer Hinsicht die bedeutendste Vogelart des Gebietes sei. Für die Zugvogelarten sei das Gebiet eher eine Durchgangszone als ein Gebiet für Rast oder Nahrungsaufnahme. Zwar könne beobachtet werden, dass bestimmte Arten in diesem Gebiet rasteten, um sich auszuruhen oder Nahrung aufzunehmen. Es gebe jedoch in Basses Corbiéres anders als an den Küstenteichen keine größeren Sammlungsgebiete.

13.
Erstens kann sich ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um die Nichteinhaltung der in einer Richtlinie festgelegten Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen (vgl. u. a. Urteil vom 18. März 1999 in der Rechtssache C-166/97, Kommission/Frankreich, Slg. 1999, I-1719, Randnr. 13).

14.
Zweitens ist nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mitGründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist befand (vgl. u. a. Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 18). Vor Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist war aber unstreitig kein Teil des Gebietes Basses Corbières zum besonderen Schutzgebiet erklärt worden.

15.
Drittens gibt es in Basses Corbières unstreitig Naturgebiete von besonderer ornithologischer Bedeutung, zumindest weil dort der Habichtsadler, eine in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgenommene Art, vorkommt. Insoweit ist festzustellen, dass die französischen Behörden im Januar 1999 zwei Nistplätze des Habichtsadlers mit einer Gesamtfläche von ca. 360 Hektar, die bereits von zwei Präfektoralverfügungen über die Erhaltung des Biotops dieser Art erfasst waren, zum besonderen Schutzgebiet erklärt haben. Eines dieser Gebiete erstreckt sich über die Gemeinden Tautavel und Vingrau, das andere über die Gemeinden Maury, Planèzes und Raziguières (Frankreich).

16.
Dagegen ist nicht nachgewiesen worden, dass Zugvogelarten vorkommen, die es rechtfertigten, Basses Corbières gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Vogelschutzrichtlinie zum besonderen Schutzgebiet zu erklären. Sämtliche von der Kommission in diesem Zusammenhang als Zugvogelarten genannten Arten, wie der Wespenbussard, der Schwarzmilan, der Rotmilan, der Schmutzgeier, der Schlangenadler, die Rohrweihe, die Kornweihe und die Wiesenweihe, sind nämlich in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie genannt. Artikel 4 Absatz 2 dieser Richtlinie gilt aber nur für die nicht in Anhang I aufgeführten Zugvogelarten.

17.
Daher ist, ohne dass im vorliegenden Fall zu prüfen wäre, welche Fläche das besondere Schutzgebiet in Basses Corbières aufweisen müsste, damit die Verpflichtungen aus der Vogelschutzrichtlinie erfüllt würden, festzustellen, dass die Französische Republik keinen Teil des Gebietes Basses Corbières innerhalb der gesetzten Frist zum besonderen Schutzgebiet gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Vogelschutzrichtlinie erklärt hat. Folglich ist der Klage der Kommission in diesem Punkt im vorstehend erläuterten Umfang stattzugeben.

Zu den besonderen Schutzmaßnahmen

18.
In Bezug auf die nach Artikel 4 Absatz 1 der Vogelschutzrichtlinie erforderlichen besonderen Schutzmaßnahmen macht die Kommission geltend, dass die Maßnahmen, die die französischen Behörden für das Gebiet Basses Corbières ergriffen hätten, unzureichend seien. Insbesondere beträfen die Bestimmungen der drei Präfektoralverfügungen über die Erhaltung des Biotops des Habichtsadlers in diesem Gebiet nur diese Art und sähen nur für sie spezielle Maßnahmen vor, auch wenn in den Anhängen der Verordnungen andere wild lebende Vogelarten als der Habichtsadler genannt würden. Die Verordnungen gewährleisteten weder hinsichtlich der eingeführten Schutzregelung noch hinsichtlich deren geografischer Ausdehnung einen ausreichenden und vollständigen Schutz sämtlicher Vogelarten, die nach der Vogelschutzrichtlinie in dem betreffenden Gebiet zu schützen seien.

19.
Nach Auffassung der französischen Regierung gewährleisten diese drei Verordnungen zum Schutz des Biotops einen vollständigen Schutz der in den betreffenden Gebieten vorkommenden Vogelarten. Die Schutzmaßnahmen, die in den Verordnungen für alle Gebiete vorgesehen seien, bestünden im Wesentlichen in einem Verbot sämtlicher Formen des Bergsteigens vom 15. Januar bis 30. Juni und generell in einem Verbot sämtlicher Tätigkeiten, die das Biotop als solches beeinträchtigen könnten. Derartige Maßnahmen würden dem Ziel gerecht, nicht nur die bedeutendste Vogelart des Gebietes Basses Corbières, den Habichtsadler, sondern auch die übrigen für dieses Biotop typischen Arten zu erhalten. Im Übrigen entsprächen die in den Verordnungen zum Schutz des Biotops festgelegten Gebiete den Biotopen, die allgemein für die auf Felsen lebenden Vogelarten, die ihren Lebensraum mit dem Habichtsadler teilten, günstig seien.

20.
Zur angeblichen Unzulänglichkeit der sich aus den besonderen Schutzmaßnahmen der französischen Behörden ergebenden Schutzregelung ist jedenfalls festzustellen, dass alle drei Verordnungen zum Schutz des Biotops zwar hauptsächlich bezwecken, die Erhaltung des Biotops des Habichtsadlers und somit den Schutz dieser Art sicherzustellen, dass ihre Bestimmungen aber, da sie mehr oder weniger detailliert Tätigkeiten untersagen, die die betreffenden Biotope als solche beeinträchtigen könnten, sämtlichen Vogelarten zugute kommen, die die von dieser Regelung erfassten Gebiete besuchen.

21.
Im Übrigen finden sich in den Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass die durch die drei Verordnungen zum Schutz des Biotops eingeführte Regelung in Bezug auf die Erfordernisse der Erhaltung irgendeiner Vogelart, die in den von diesen Verordnungen erfassten Gebieten vorkommt, unzureichend ist.

22.
Die Rüge, dass die Schutzregelung, die sich aus den besonderen Schutzmaßnahmen der französischen Behörden ergebe, unzureichend sei, ist somit zurückzuweisen.

23.
Zur angeblichen Unzulänglichkeit der geografischen Ausdehnung dieser besonderen Schutzmaßnahmen ist festzustellen, dass die Groupe ornithologique du Roussillon (im Folgenden: GOR) im März 1999 ein Dossier mit dem Vorschlag vorgelegt hat, in dem GBEV Basses Corbières gelegene Gebiete zu besonderen Schutzgebieten zu erklären. In diesem Dossier wird die Ansicht vertreten, dass ein Gebiet mit einer Fläche von 950 Hektar, das sich von der Serre de Vingrau-Tautavel bis zum Trou de Cavall erstreckt, zum besonderen Schutzgebiet erklärt werden sollte. Dieses Gebiet fällt vollständig in das GBEV LR 07, das dem von der Kommission im vorliegenden Fall in Bezug genommenen Gebiet Basses Corbières entspricht und das 1991 auf Wunsch des Umweltministeriums von der GOR und der Groupe de recherche et d'information sur les vertébrés et leur environnement (Gruppe für Forschung und Informationen betreffend Wirbeltiere und ihre Umwelt) festgelegt wurde.

24.
Nach Ansicht der GOR, die von der französischen Regierung als vom Staat unabhängiger naturwissenschaftlicher Verband anerkannt wird und seit langen Jahrenwissenschaftliche Seriosität und Objektivität beweist, ist das betreffende Gebiet, in dem bereits um 1990 eine Verschlechterung eingetreten war, insbesondere wegen des Bestandes an großen Raubvögeln wie dem Habichtsadler, dem Steinadler, dem Wanderfalken und dem Uhu sowie einer Krähenart wie der Alpenkrähe zum besonderen Schutzgebiet zu erklären. Wie aus verschiedenen Unterlagen in den Akten der vorliegenden Rechtssache hervorgeht, kommen diese Arten in dem betreffenden Gebiet schon seit geraumer Zeit vor. Der Steinadler, der seit Januar 1998 in diesem Gebiet lebt, scheint die Vogelart zu sein, die zuletzt hinzugekommen ist.

25.
Des Weiteren ist festzustellen, dass das im Allgemeinen unter der Abkürzung IBA bekannte Verzeichnis der Gebiete von großer Bedeutung für die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (Inventory of Important Bird Areas in the European Community) u. a. das fragliche Gebiet einschließt. Insoweit hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass dieses Verzeichnis, obwohl es für die betreffenden Mitgliedstaaten rechtlich nicht verbindlich ist, wissenschaftliche Beweismittel für die Beurteilung der Frage enthält, ob ein Mitgliedstaat seiner Verpflichtung nachgekommen ist, diejenigen Gebiete zu besonderen Schutzgebieten zu erklären, die zahlen- und flächenmäßig für die Erhaltung der geschützten Arten am geeignetsten sind (vgl. Urteil vom 19. Mai 1998 in der Rechtssache C-3/96, Kommission/Niederlande, Slg. 1998, I-3031, Randnrn. 69 und 70).

26.
Aus der Systematik des Artikels 4 der Vogelschutzrichtlinie geht hervor, dass für ein Gebiet, das die Kriterien für eine Ausweisung als besonderes Schutzgebiet erfüllt, besondere Schutzmaßnahmen zu treffen sind, die geeignet sind, das Überleben und die Vermehrung der in Anhang I dieser Richtlinie aufgeführten Vogelarten sicherzustellen.

27.
Im vorliegenden Fall geht aus den den Akten beigefügten Karten hervor, dass sich von den drei für Basses Corbières erlassenen Verordnungen zum Schutz des Biotops nur eine einzige auf das Gebiet bezieht, das nach Auffassung der GOR zum besonderen Schutzgebiet erklärt werden sollte, und dass auch sie nur einen Teil dieses Gebietes erfasst. Zudem liegen die 231 Hektar, die durch diese Verordnung geschützt werden, nicht vollständig im fraglichen Gebiet.

28.
Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass für den Teil des Gebietes, der nicht unter die genannte Verordnung fällt, irgendwelche besonderen Schutzmaßnahmen getroffen wurden.

29.
Da keine Beweise vorliegen, durch die die Berechtigung des Vorschlags der GOR, das 950 Hektar umfassende Gebiet von der Serre de Vingrau-Tautavel bis zum Trou de Cavall zum besonderen Schutzgebiet zu erklären, in Frage gestellt werden könnte, ist daher festzustellen, dass die besonderen Schutzmaßnahmen der französischen Behörden hinsichtlich ihrer geografischen Ausdehnung unzureichend sind, da ein beträchtlicher Teil dieses Gebietes nicht von einer besonderen Schutzregelung erfasst wird.

30.
Ohne dass im vorliegenden Fall zu prüfen wäre, ob weitere Teile des Gebietes Basses Corbières zu besonderen Schutzgebieten erklärt werden sollten, erweist sich somit, dassdie Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 der Vogelschutzrichtlinie verstoßen hat, dass sie keine besonderen Schutzmaßnahmen getroffen hat, die hinsichtlich ihrer geografischen Ausdehnung ausreichend sind. Der Klage der Kommission ist damit auch in diesem Punkt im vorstehend erläuterten Umfang stattzugeben.

Zu den Störungen und der Verschlechterung, die durch die Kalksteinbrüche von Vingrau und Tautavel verursacht werden

31.
Nach Auffassung der Kommission sind die Verpflichtungen nach Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitatrichtlinie, die ab dem Datum für die Anwendung dieser Richtlinie, also ab dem 10. Juni 1994, gemäß ihrem Artikel 7 an die Stelle der sich aus Artikel 4 Absatz 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie ergebenden Pflichten getreten seien, seit diesem Zeitpunkt im Fall des Gebietes Basses Corbières zu erfüllen, auch wenn dieses Gebiet noch nicht gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie zum besonderen Schutzgebiet erklärt worden sei.

32.
In Beantwortung einer Frage des Gerichtshofes zu diesem Punkt macht die Kommission geltend, dass Artikel 7 der Habitatrichtlinie Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie in keiner Weise ändere und deshalb die Gründe, aus denen der Gerichtshof die Schutzregelung des Artikels 4 Absatz 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie auf nicht zu besonderen Schutzgebieten erklärte Gebiete ausgedehnt habe, auch für die Schutzregelung des Artikels 6 Absätze 2 bis 4 der Habitatrichtlinie gälten, die an ihre Stelle getreten sei. Falls Artikel 7 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen sei, dass mit ihm die Verpflichtungen aus Artikel 6 Absätze 2 bis 4 dieser Richtlinie lediglich auf die von den nationalen Behörden tatsächlich gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie zu besonderen Schutzgebieten erklärten Gebiete für anwendbar erklärt werden sollten, ergäbe sich daraus eine schwer zu rechtfertigende Dualität der Schutzregelungen. Die in der Vogelschutzrichtlinie festgelegte Schutzregelung sei nämlich strenger als diejenige, die sich aus der Habitatrichtlinie ergebe. Es sei aber widersinnig, ornithologisch bedeutsame Gebiete, die nicht durch eine nationale Maßnahme zum besonderen Schutzgebiet erklärt worden seien, einer strengeren Schutzregelung zu unterstellen als Gebiete, die von den Mitgliedstaaten tatsächlich zum besonderen Schutzgebiet erklärt worden seien.

33.
Die Durchführung des Vorhabens der Eröffnung und des Betriebes von Kalksteinbrüchen in dem zu Basses Corbières gehörenden Gebiet der Gemeinden Vingrau und Tautavel könne zu Störungen der in diesem Gebiet vorkommenden Arten und zu einer Verschlechterung ihrer Lebensräume führen. Insbesondere für den Habichtsadler führe die Eröffnung der Steinbrüche zu einem Verlust eines Teils seines Jagdreviers und drohe aufgrund der mit der Tätigkeit in den Steinbrüchen verbundenen optischen und akustischen Belästigungen seine Vermehrung zu stören.

34.
Selbst wenn man bei der Festlegung der Gebiete, für die die besondere Schutzregelung gelten solle, nur diejenigen Gebiete berücksichtige, die von den französischenBehörden zu besonderen Schutzgebieten erklärt worden seien und die sich mit den Gebieten deckten, die von den beiden in Randnummer 15 dieses Urteils genannten Verordnungen zum Schutz des Biotops erfasst würden, könnten im vorliegenden Fall diese Gebiete, deren ornithologische Bedeutung nicht bestritten werde, durch den von der OMYA geplanten Betrieb von Steinbrüchen erheblich beeinträchtigt werden.

35.
Daher hätten die Auswirkungen des Vorhabens auf die Erhaltung des betreffenden Gebietes angemessen geprüft werden müssen. Die 1994 vor Erteilung der Betriebsgenehmigung für die Steinbrüche durchgeführte Verträglichkeitsstudie entspreche diesem Erfordernis aber nicht.

36.
Die Französische Republik habe auch die Verpflichtung zum Erlass geeigneter Ausgleichsmaßnahmen verletzt. Die Vermehrung des Jagdwildes für den Habichtsadler, die wissenschaftliche Beobachtung dieser Vogelart, die Errichtung eines Schutzwalles und ein Plan zur Bewirtschaftung der natürlichen Umwelt könnten nämlich abgesehen davon, dass sie nicht die übrigen schutzbedürftigen Vogelarten beträfen, die verursachten Störungen und Verschlechterungen nicht kompensieren, da diese nicht geprüft worden seien.

37.
Da keine angemessene Prüfung der Verträglichkeit des Steinbruchvorhabens mit dem zum besonderen Schutzgebiet zu erklärenden Gebiet in der Gemeinde Vingrau durchgeführt worden sei und zudem negative Auswirkungen keineswegs ausgeschlossen werden könnten, hätten sich die französischen Behörden weigern müssen, diesem Vorhaben zuzustimmen, es sei denn, es wäre nachgewiesen worden, dass es keine Ersatzlösung gebe und ein überwiegendes öffentliches Interesse das Vorhaben rechtfertigen könne. Mehrere Berichte qualifizierter Hochschullehrer gelangten jedoch zu dem Ergebnis, dass es dem Vorkommen von Vingrau gleichwertige Lösungen gebe. Auf jeden Fall hätten weder die OMYA noch die französischen Behörden diese anderen Lösungen ernsthaft geprüft.

38.
Die französische Regierung trägt vor, die Kommission erbringe keine wissenschaftlichen oder sonstigen Beweise dafür, dass die Steinbrüche zu erheblichen Störungen für das Habichtsadlerpärchen und die übrigen Vogelarten führten. Zumindest bestreitet die französische Regierung, dass die Eröffnung und der Betrieb der Steinbrüche schwerwiegende Folgen für die in dem Gebiet vorkommenden Vogelarten haben könnten. Zunächst habe keine der durchgeführten wissenschaftlichen Studien festgestellt, dass der Betrieb der Steinbrüche derartige Folgen für die Vogelfauna und insbesondere den Habichtsadler haben könnte, ferner sei dem Betrieb eine umfassende Verträglichkeitsstudie vorausgegangen, die zu dem Ergebnis gelangt sei, dass sich das Vorhaben nicht erheblich auf die Umwelt auswirke, und schließlich seien wichtige Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung etwaiger negativer Auswirkungen auf die Umgebung des Vorhabens durchgeführt worden.

39.
Der Habichtsadler sei bereits vor der Inbetriebnahme des Steinbruchs von Tautavel im Jahr 1968 vorgekommen und seitdem in dem Gebiet geblieben, ohne dass der Betrieb des Steinbruchs erwiesenermaßen zu einer Störung dieser Vogelart geführt habe. DieBeobachtung dieser Art durch die vom Staat unabhängigen örtlichen Vogelschutzverbände habe nichts ergeben, was die Behauptung rechtfertigen würde, dass eine Verlagerung des Betriebes von Tautavel nach Vingrau negative Auswirkungen haben könnte, denn der Nistplatz des Habichtsadlers werde jedenfalls von beiden Betriebsstätten nicht berührt.

40.
Zum Jagdrevier des Habichtsadlers werde in der genannten Verträglichkeitsstudie ausgeführt, dass die für den Betrieb der Steinbrüche erforderliche Fläche die Gewohnheiten dieser Art, die über ein Jagdrevier von mehreren Quadratkilometern verfüge, nicht übermäßig stören dürfte und dass Vorsichtsmaßnahmen zur Förderung der Vermehrung des Kleinwildes, von denen sich dieser Adler ernähre, getroffen worden seien.

41.
Mögliche Ersatzlösungen für das Vorkommen, das die OMYA auf dem Gebiet der Gemeinden Vingrau und Tautavel derzeit abbaue, seien von dieser Gesellschaft ernsthaft geprüft worden, diesem Vorkommen aber nicht gleichwertig.

42.
In Beantwortung der Frage des Gerichtshofes, ob Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitatrichtlinie auf noch nicht zu besonderen Schutzgebieten erklärte Gebiete anwendbar sei, erklärt die französische Regierung, die einräumt, sich nicht auf die Unanwendbarkeit dieser Vorschriften auf das Gebiet Basses Corbières berufen zu haben, dass die in Artikel 7 der Habitatrichtlinie vorgesehene Ersetzung der Verpflichtungen nach Artikel 4 Absatz 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie durch die in Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitatrichtlinie genannten Verpflichtungen nur die Gebiete betreffe, die gemäß der Vogelschutzrichtlinie bereits zu besonderen Schutzgebieten erklärt worden seien.

43.
An erster Stelle ist zu prüfen, ob Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitatrichtlinie Anwendung auf Gebiete findet, die nicht zu besonderen Schutzgebieten erklärt wurden, obwohl dies erforderlich gewesen wäre.

44.
Artikel 7 der Habitatrichtlinie bestimmt ausdrücklich, dass Artikel 6 Absätze 2 bis 4 dieser Richtlinie anstelle des Artikels 4 Absatz 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie für die Gebiete gilt, die nach Artikel 4 Absätze 1 oder 2 der letztgenannten Richtlinie zu besonderen Schutzgebieten erklärt wurden.

45.
Legt man diesen Abschnitt von Artikel 7 der Habitatrichtlinie wörtlich aus, so fallen somit nur die zu besonderen Schutzgebieten erklärten Gebiete unter Artikel 6 Absätze 2 bis 4 dieser Richtlinie.

46.
Weiter bestimmt Artikel 7 der Habitatrichtlinie, dass Artikel 6 Absätze 2 bis 4 dieser Richtlinie ab dem Datum für ihre Anwendung bzw. danach ab dem Datum, zu dem das betreffende Gebiet von einem Mitgliedstaat entsprechend der Vogelschutzrichtlinie zum besonderen Schutzgebiet erklärt wird, an die Stelle des Artikels 4 Absatz 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie tritt. Dieser Abschnitt von Artikel 7 scheint die Auslegung zubestätigen, nach der die Anwendung von Artikel 6 Absätze 2 bis 4 voraussetzt, dass das betreffende Gebiet zum besonderen Schutzgebiet erklärt wird.

47.
Die Gebiete, die nicht zu besonderen Schutzgebieten erklärt wurden, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, unterliegen somit offenkundig weiterhin der Regelung des Artikels 4 Absatz 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie.

48.
Dem gegenteiligen Vorbringen der Kommission kann nicht gefolgt werden.

49.
So bedeutet der Umstand, dass die Schutzregelung des Artikels 4 Absatz 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. u. a. Urteil vom 2. August 1993 in der Rechtssache C-355/90, Kommission/Spanien, Slg. 1993, I-4221, Randnr. 22) für Gebiete gilt, die nicht zu besonderen Schutzgebieten erklärt wurden, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, für sich allein nicht, dass die Schutzregelung des Artikels 6 Absätze 2 bis 4 der Habitatrichtlinie für die betreffenden Gebiete an die Stelle der erstgenannten Regelung tritt.

50.
Was im Übrigen das Vorbringen der Kommission betrifft, dies führe zu einer Dualität der anwendbaren Regelungen, so erscheint es nicht ungerechtfertigt, dass die in der vorstehenden Randnummer dieses Urteils genannten Gebiete nach Artikel 4 Absatz 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie einer Regelung unterliegen, die strenger ist als diejenige, die in Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitatrichtlinie für die zu besonderen Schutzgebieten erklärten Gebiete vorgesehen ist.

51.
Wie der Generalanwalt in Nummer 99 seiner Schlussanträge festgestellt hat, soll ein Mitgliedstaat aus der Missachtung seiner gemeinschaftsrechtlichen Pflichten keinen Vorteil ziehen.

52.
Könnte sich jedoch ein Mitgliedstaat, der unter Verstoß gegen die Vogelschutzrichtlinie ein Gebiet nicht zum besonderen Schutzgebiet erklärt hat, obwohl dies erforderlich gewesen wäre, auf Artikel 6 Absätze 3 und 4 der Habitatrichtlinie berufen, so entstünde diesem Staat möglicherweise ein solcher Vorteil.

53.
Wenn nämlich kein förmlicher Akt vorhanden ist, mit dem ein solches Gebiet zum besonderen Schutzgebiet erklärt wird, ist es für die Kommission besonders schwierig, gemäß Artikel 155 EG-Vertrag (jetzt Artikel 211 EG) wirksam zu überprüfen, ob die Mitgliedstaaten das Verfahren nach Artikel 6 Absätze 3 und 4 der Habitatrichtlinie angewandt haben, und gegebenenfalls festzustellen, dass gegen die daraus resultierenden Verpflichtungen verstoßen wurde. Insbesondere wäre die Gefahr wesentlich größer, dass Pläne oder Vorhaben, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind und die das Gebiet als solches beeinträchtigen, von den nationalen Behörden unter Verstoß gegen das genannte Verfahren genehmigt werden, von der Kommission nicht überprüft werden können und entgegen den Erfordernissen der Erhaltung dieses Gebietes schwere oder sogar irreparable Umweltschäden verursachen.

54.
Natürliche und juristische Personen, die befugt sind, vor den nationalen Gerichten Interessen geltend zu machen, die mit dem Schutz der Natur und insbesondere der Vogelfauna zusammenhängen - vor allem Umweltschutzorganisationen -, stünden vergleichbaren Schwierigkeiten gegenüber.

55.
Eine derartige Situation gefährdete möglicherweise die Verwirklichung des Zieles des besonderen Schutzes der wild lebenden Vogelfauna, das mit Artikel 4 der Vogelschutzrichtlinie nach dessen Auslegung durch den Gerichtshof (vgl. u. a. Urteil vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache C-44/95, Royal Society for the Protection of Birds, Slg. 1996, I-3805, Randnrn. 23 und 25) verfolgt wird.

56.
Wie der Generalanwalt in Nummer 102 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, schafft die Dualität der Regelungen für als besondere Schutzgebiete ausgewiesene Gebiete und solche, die hätten ausgewiesen werden müssen, einen Anreiz für die Mitgliedstaaten, besondere Schutzgebiete auszuweisen, wenn sie sich dadurch die Möglichkeit eröffnen, sich eines Verfahrens zu bedienen, das es ihnen erlaubt, aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art unter bestimmten Voraussetzungen einen Plan oder ein Vorhaben zu beschließen, der oder das ein besonderes Schutzgebiet beeinträchtigt.

57.
Demnach gilt Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitatrichtlinie nicht für Gebiete, die nicht zu besonderen Schutzgebieten erklärt wurden, obwohl dies erforderlich gewesen wäre.

58.
Folglich ist die Rüge, dass Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitatrichtlinie verletzt worden sei, zurückzuweisen.

59.
Somit ist festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 der Vogelschutzrichtlinie verstoßen hat, dass sie keinen Teil des Gebietes Basses Corbières zum besonderen Schutzgebiet erklärt und es versäumt hat, für dieses Gebiet besondere Schutzmaßnahmen zu treffen, die hinsichtlich ihrer geografischen Ausdehnung ausreichend sind.

60.
Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

Kosten

61.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten des Verfahrens zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 3 Absatz 1 kann der Gerichtshof jedoch die Kosten ganz oder teilweise gegeneinander aufheben, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da die Kommission nur mit einem Teil ihres Vorbringens Erfolg hatte, sind die Kosten gegeneinander aufzuheben.

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten verstoßen, dass sie keinen Teil des Gebietes Basses Corbières zum besonderen Schutzgebiet erklärt und es versäumt hat, für dieses Gebiet besondere Schutzmaßnahmen zu treffen, die hinsichtlich ihrer geografischen Ausdehnung ausreichend sind.

2.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Gulmann Skouris Schintgen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Dezember 2000.

Der Kanzler Der Präsident der Sechsten Kammer

R. Grass C. Gulmann


1: Verfahrenssprache: Französisch.