BfN-Studie: Windparks an vorbelasteten Standorten konzentrieren
Bundesamt dämpft Euphorie

Wer die lange zurückgehaltene und jetzt erschienene Studie des Bundesamts für Naturschutz (BfN) aufmerksam liest, wird zunächst überrascht sein. Eine Bundesbehörde widerspricht der Windkraft-Argumentationslinie des Bundesumweltministers, der Grünen, von Greenpeace und der Windkraftindustrie. Das BfN stellt fest, daß Windkraft neben der Nutzung anderer regenerativer Energiequellen und Energieeinsparungstechniken "ein Baustein zur Erreichung einer nachhaltigen und klimaverträglichen Energieversorgung" ist. Doch der Ausbau müsse sich auf ökologisch und landschaftsästhetisch verträgliche Standorte beschränken. Nicht vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sollen gegebenenfalls durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen kompensiert werden. "Nur so kann verhindert werden, daß das Ziel der CO2-Minderung mit Einbußen bei anderen Umweltzielen erkauft wird."

Das BfN plädiert dafür, Windkraftwerke konzentriert an Standorten zu errichten, die, wie etwa Industrie- und Gewerbegebiete, stark negativ vorbelastet sind. Auch angrenzende Ackerflächen seien besonders geeignet. Sofern in bestehenden oder potentiellen Ausschlußgebieten für Windnutzung bereits Anlagen existieren, sei dies kein Argument, an einem planerisch und naturschutzfachlich falschen Standort noch mehr Anlagen auszuweisen. "Vielmehr sollte der Rückbau von Altanlagen in Naturschutzvorranggebieten als Option künftig vorgesehen werden." Grundsätzlich seien markante Kuppen, Höhenzüge und Felslandschaften von Windkraftwerken freizuhalten. Sichtbeziehungen von Aussichtspunkten, Hauptaufenthaltsorte von Urlaubern, Touristenstraßen und Hauptwanderwege seien vor einer "technogenen Überformung der Landschaft zu sichern... In traditionellen Kulturlandschaften sollte aufgrund der Empfindlichkeit des Landschaftsbildes von einer Ausweisung von Standorten für Windkraftanlagen abgesehen werden."

Absage an Offshore-Boom

Die Energie-Sprecherin der Grünen im Bundestag, Michaele Hustedt, und auch Greenpeace sehen bei den geplanten riesigen Offshore-Windparks vor deutschen Küsten nur Vorteile. Die BfN-Studie stellt dazu fest: "Sollte es zur Genehmigung eines kleinen Windparks im Offshore-Bereich kommen, muß dieser als Testfall angesehen werden, der als Studienobjekt dienen kann." Die deutschen Küstengewässer hätten teils herausragende Bedeutung auch als Rast- und Überwinterungsgebiet für Meeresvögel. Gerade seltene Arten, die sich von Muscheln oder Fisch ernähren, bevorzugten Bereiche mit Wasssertiefen bis 15 oder 20 Meter, die für Offshore-Windkraftwerke besonders ausersehen sind.

Pracht- und Sterntaucher beispielsweise haben hohe Fluchtdistanzen, gegenüber Schiffen bis mehrere Kilometer. Diese Arten dürften also noch erheblich größere Abstände zu den Offshore-Anlagen einhalten. "Daher können bereits in der Bauphase durch die Störung des Lebensraumes Flächen als Rast-und Nahrungsgebiet entwertet werden, die ein Mehrfaches über dem eigentlich bebauten Areal liegen." Zitiert wird eine dänische Studie, derzufolge sich die Rastbestände von Eider- und Trauerenten nach dem Bau eines kleinen Offshore-Parks mit nur zehn Anlagen um 75 bzw. mehr als 90 Prozent reduzierten. Ein Ausweichen in andere Areale sei Tieren nur beschränkt möglich. Trotz des noch erheblichen Forschungsbedarfes geht das BfN von einer "erheblichen Beeinträchtigung der Vogelwelt" im Küsten- und Meeresbereich aus. Auch Fische und Meeressäugetiere seien betroffen.

Genauso argumentiert auch die AG Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, zu der auch NABU, BUND und WWF gehören. Die Arbeitsgemeinschaft wendet sich gegen die ungehemmte weitere "Meeresindustrialisierung".

Streß für Vögel und Urlauber

Ein weiterer Faktor ist die Kollisionsgefahr. Schon im Binnenland haben drehende Rotoren tagsüber einen sogenannten Streß- und Scheucheffekt auf Vögel. "Es kann daher angenommen werden", so das BfN, "daß nachts ziehende oder nächtlich aktive Arten, wie die meisten Meeresenten, einem erhöhten Vogelschlagsrisiko ausgesetzt sind. Vor allem, wenn es sich um relativ flach über das Wasser ziehende Vogelarten handelt, ist dieses Risiko erhöht."

Ähnlich sieht es an Land aus, da manche Vogelarten empfindlich reagieren und Windkraftwerke im Umkreis bis zu 500 Metern meiden. "Daraus folgt, daß große Flächen als Brut- und Nahrungshabitate ausfallen." Je größer und höher die Anlagen, besonders die Rotoren, neuerdings werden, umso mehr wächst laut Studie die Scheuchwirkung sowie die Kollisionsgefahr, besonders bei nachts ziehenen Arten und widrigen Wetterlagen.

Das Bundesamt stellt sich auch auf die Seite der Naturliebhaber unter den Wanderern und Erholungssuchenden. Die audiovisuelle Veränderung der Landschaft, also Anlagengeräusche und Rotordrehen, errege die Aufmerksamkeit, lenke von Ruhe und Naturgenuss ab, könne für das Ohr unerträglich werden und zu nervlicher Dauerbelastung führen und werde von Urlaubern laut Befragungen abgelehnt. "Ein Gewöhnungseffekt ist auszuschließen." Zitiert wird das windkraftkritische "Darmstädter Manifest" von rund einhundert Hochschulprofessoren und Schriftstellern, wonach die Windgeneratoren das Landschaftsbild wertvoller Erholungsgebiete zerstören.

Energiesparen nicht vergessen

Das BfN befürchtet mit der Privilegierung von Windanlagen im Außenbereich der Gemeinden eine zunehmende "Verspargelung" der Landschaft. Dem entgegenstehende öffentliche Belange, wie Naturschutz und Landschaftspflege, das Orts- und Landschaftsbild oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes würden oft nicht beachtet. In manchen Bundesländern verrechne man bei Windkraftwerken undifferenziert Beiträge zum Klimaschutz mit Einbußen beim Naturschutz. Damit werde ungerechtfertigt die Windkraft bevorzugt und andere Wege zu klimaneutraler Energieversorgung, besonders das Energiesparen, benachteiligt.

Klaus Hart

Der Autor ist freier Journalist in Berlin

Studie "Empfehlungen des Bundesamtes für Naturschutz zu naturschutzverträglichen Windkraftanlagen"

Bezug bei der BfN-Pressestelle in Bonn, Tel. 0 228 / 84 91 280.

Quelle: Seite 22 in Der Rabe Ralf Nr. 93 / Dezember 2000 / Januar 2001 : Umweltabhängiges Monatsblatt, Herausgeber: Grüne Liga Berlin e.V.